Auf dem Flur vor dem SPD-Sitzungssaal im Bundestag kam es kürzlich zu einem viel beachteten Zwiegespräch. Andrea Nahles, die Fraktionschefin und designierte Parteivorsitzende, nahm sich ein paar Minuten Zeit, um mit Sigmar Gabriel zu reden. Was die beiden miteinander austauschten, ist nicht bekannt. Aber die ganze Partei und viele Bürger rätseln, ob Nahles ihren langjährigen Rivalen in die Rente schickt, oder Gabriel sich doch noch im Kabinett halten kann.

Im Interview mit der „Braunschweiger Zeitung“ sagt Gabriel nun, er halte nichts davon, „um Ämter ,zu kämpfen‘ und sich daran zu klammern“. Auf die Feststellung, Deutschland brauche einen erfahrenen Außenminister, antwortet der Noch-Vizekanzler: „Den wird es geben. Der muss aber nicht Sigmar Gabriel heißen.“ Die Lage der in Umfragen auf 16 Prozent abgerutschten SPD bewertet er als „bestürzend“. Aus Angst vor Neuwahlen sollten die SPD-Mitglieder aber nicht für den Koalitionsvertrag mit der Union stimmen, sondern aus Überzeugung: „Das tue ich.“ Den Vorwurf, er habe die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft medial ausschlachten wollen, um im Amt zu bleiben, wies Gabriel als absurd zurück. Er habe seit Monaten darauf hingearbeitet: „Weil ich ihn in Freiheit sehen wollte und aus keinem anderen Grund.“ Die SPD-Spitze um Nahles und Olaf Scholz will erst nach Auszählung des laufenden Mitgliederentscheides verkünden, wer die sechs der SPD zustehenden Ministerien anführen soll. Das Ergebnis der GroKo-Abstimmung wird am 4. März veröffentlicht. Der SPD-Nachwuchs wirft der Parteispitze vor, keinen Plan B zu haben. Viele fragten sich, „ob die SPD nach einem Nein (...) in der Lage ist, den Betrieb ordentlich zu gewährleisten“, sagte Juso-Chef Kevin Kühnert.

Nahles zeigt sich selbstkritisch. Momentan wirkten viele aus der Führung wie eine Ansammlung von extrem routinierten und professionellen Regierungspolitikmachern: „Wie ein rundgeschliffener Kiesel“, sagte sie im „Stern“. Die Menschen müssten sich künftig wieder positiv an der SPD reiben können: „Die SPD muss wieder mehr von einem Basalt haben als von einem Rheinkiesel.“

Die 47-jährige frühere Juso-Chefin, Ex-Generalsekretärin und bisherige Arbeitsministerin will auf einem Sonderparteitag am 22. April zur Nachfolgerin des zurückgetretenen Parteichefs Martin Schulz aufsteigen. Es gibt mehrere Gegenkandidaten, darunter die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange. Sie erhält an der Basis viel Zuspruch. „Ich glaube, der Geist des Koalitionsvertrages ist weder gut für das Land noch für die SPD“, sagte Lange der „Zeit“. Gegen Nahles dürfte sie aber keine Chance haben.

Nahles kündigte an, die SPD im Team zu führen. „Ich bin nicht der breitbeinige Typ, der alles besser weiß.“ Das dürfte eine Anspielung auf ihren Vor-Vorgänger Gabriel sein, der bis Anfang 2017 fast acht Jahre lang SPD-Chef war. Auch Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil kritisierte, die Partei habe es über Jahre versäumt, heikle Sachfragen etwa zur Aufnahme von Flüchtlingen eindeutig zu klären.

Machen die rund 464.000 SPD-Mitglieder den Weg für die GroKo frei, könnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Informationen dieser Redaktion am 13. oder 14. März im Bundestag zum vierten Mal zur Regierungschefin gewählt werden.