Berlin.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat die Konkurrenz am rechten Rand auf dem Schirm, hält sie aber noch nicht für ein Massenphänomen. Drei Fragen an DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der AfD bei Arbeitern?

Reiner Hoffmann: Das Thema beschäftigt uns, seit die AfD die ersten Erfolge bei Landtagswahlen eingefahren hat. Zwei Erkenntnisse haben wir gewonnen. Erstens: Es ist nicht das Gewerkschaftsbuch, sondern die soziale Lage, die Einfluss auf das Wahlverhalten übt. Zweitens: Bei Gewerkschaftsmitgliedern, die in Unternehmen mit Betriebsrat und Tarifvertrag arbeiten, ist die Zustimmung zu rechtspopulistischen Angeboten deutlich geringer. Das heißt, die AfD hat dort keinen Erfolg, wo Menschen soziale Haltepunkte haben und nicht permanent befürchten müssen, ihren Job zu verlieren. Das Entscheidende ist also Sicherheit. Darüber hinaus bleibt es dabei: Gewerkschaftsmitglieder wählen überproportional stark SPD oder andere Parteien und nicht die AfD.

Woher kommt die Zustimmung zur AfD?

Viele Menschen erleiden einen doppelten Kontrollverlust. Erstens: Sie wissen nicht, wie sich die Wirtschaft vor dem Hintergrund der Digitalisierung weiterentwickelt und wie sicher die Arbeitsplätze sind. Auch wenn es Menschen objektiv gut geht und sie ihre Situation als gut beschreiben, haben sie große Zukunftssorgen. Sie sehen die Gefahr von Abstieg und Verarmung. Es ist unklar, ob unsere Gesellschaft das Wohlfahrtsversprechen – den Kindern soll es besser gehen als ihren Eltern – noch halten kann. Zweitens: Die Globalisierung, also die nationale Entgrenzung, zeigt ihre hässlichen Seiten. Zum Beispiel bei Siemens: Da sitzt der Vorstandschef Joe Kaeser bei US-Präsident Donald Trump und verspricht, neue Gasturbinen in den USA bauen zu lassen, weil die USA ihre Steuern stark gesenkt haben. In Deutschland will Siemens aber das Gasturbinengeschäft stilllegen. Solche Botschaften verunsichern die Menschen – und zwar nicht nur die direkt Betroffenen bei Siemens. Die Leute wollen politische Antworten, die ihnen Sicherheit geben.

Was können demokratische Parteien tun?

Die Parteien müssen klare Kante zeigen und Konflikte offen diskutieren. Sie müssen zeigen, dass die Energiewende gelingen kann, ohne Jobs zu gefährden. Die Menschen müssen spüren, dass Renten armutsfest gemacht werden und dass es in der Steuerpolitik gerechter zugehen kann.