Berlin.

Die mehr als 460.000 SPD-Mitglieder haben jetzt das Schicksal der großen Koalition in der Hand. Seit Dienstag können sie beim Mitgliederentscheid bis zum 2. März über den mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen. Doch die Partei steckt in einem historischen Umfragetief. Der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer hält es jedoch für möglich, dass der Absturz der SPD in der Wählergunst den Befürwortern einer Neuauflage der großen Koalition Rückenwind geben könnte.

Nachdem die SPD bei einer Insa-Umfrage für die „Bild“-Zeitung mit 15,5 Prozent erstmals bundesweit hinter die AfD gefallen war, erreichten die Sozialdemokraten in einer Umfrage für RTL und n-tv mit 16 Prozent den niedrigsten Wert, den Forsa in 25 Jahren für sie ermittelt hat. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert forderte im Hessischen Rundfunk personelle Veränderungen, damit die SPD jünger, weiblicher und vielfältiger werde. Er ist einer der bekanntesten Kritiker einer großen Koalition und will noch bis Anfang März die Mitglieder mobilisieren. Dagegen wirbt die Parteiführung um Unterstützung.

Die Unionsfraktion im Bundestag rechnet im Fall einer Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag nicht mit einer Sondersitzung zur Kanzlerwahl in der ersten Märzwoche. Er gehe von einer Wahl von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der am 12. März beginnenden ersten regulären Sitzungswoche des Parlaments aus, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Dienstag in Berlin. Die SPD-Spitze will das Ergebnis des Mitgliederentscheids am 4. März mitteilen.

Zuvor war spekuliert worden, Merkel könne bei einer Zustimmung der SPD bereits in einer Sondersitzung des Bundestags am 6. oder 7. März zur Kanzlerin gewählt werden. Grosse-Brömer sagte, er gehe davon aus, dass die SPD Wert darauf legen werde, vor der Bekanntgabe des Ergebnisses ihres Mitgliedervotums keine Sondersitzung zu terminieren, weil dies als eine Art Vorfestlegung gewertet werden könne. Zugleich betonte er, die Union sei regierungsfähig und -willig.