Eine politische „Rampensau“ wird Olaf Scholz in diesem Leben nicht mehr. Schwer erkältet bahnt sich der neue Kurzzeit-SPD-Chef am Mittwoch im bayerischen Vilshofen den Weg ins Bierzelt. Politischer Aschermittwoch. Das bedeutet Attacke und große Klappe. So gar nicht die Welt des Strategen aus Hamburg, der für eine große Koalition das Amt des Regierungschefs an der Elbe gegen die Posten als Vizekanzler und Bundesfinanzminister an der Spree eintauschen will.

Aber Scholz macht seine Sache nicht schlecht. Für seine Verhältnisse geht er sogar aus sich heraus. In seiner 35-minütigen Rede ballt er die Fäuste, rudert mit den Armen. „Nicht nur ein bayerischer Politiker hat wohl den Zenit seiner politischen Karriere überschritten, sondern wohl auch eine Frau aus dem Norden“, teilt er gegen CSU-Chef Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus.

Nach den Chaostagen in der SPD – Parteichef Martin Schulz warf entnervt den Vorsitz und seine Ambitionen auf das Außenministerium hin – will Scholz der Basis Mut machen. Vor einem Jahr jubelten Tausende SPD-Anhänger im völlig überfüllten Zelt noch frenetisch Schulz zu. Jetzt ist die Stimmung gedämpfter. „Vielen Dank für die Einladung, moin moin“, sagt Scholz zur Begrüßung. Am Dienstag war er von den SPD-Gremien zum kommissarischen Schulz-Nachfolger ernannt worden. Bei einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden soll dann Andrea Nahles zur ersten Frau in der SPD-Geschichte an die Parteispitze gewählt werden.

Wenige Stunden nach Scholz tritt Nahles in Schwerte in Westfalen auf die Bühne. „Die Göttinnendämmerung hat längst begonnen“, krächzt Nahles mit rauer Stimme. Merkel sei in ihrer eigenen Partei „angezählt“. Mit Blick auf die SPD beschwört Nahles das Wir-Gefühl: „Ich kann das nicht alleine schaffen, wir müssen uns unterhaken.“

Doch statt Einigkeit gibt schon zwei Gegenkandidaten für Nahles um den Parteivorsitz. Nach der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange gab der Kommunalpolitiker Dirk Diedrich aus Dithmarschen seine Kandidatur bekannt. Er wolle eine „basisdemokratische Entscheidung“, begründete der Berufsschullehrer seinen Schritt. Davon unbeeindruckt wirbt Scholz in Vilshofen vehement für den gerade mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag: „Das ist ein guter Vertrag.“ Das zeige sich allein schon daran, wie groß das Entsetzen in der CDU sei: „Man muss sich ja nur die Diskussion in der Union anschauen, dass wir es richtig hinbekommen haben.“ Die SPD habe erreicht, dass die „Schweinerei“ bei den Kettenbefristungen von Arbeitsverträgen aufhören soll. „Wir sind die Partei des Volkes“, ruft Scholz. Die bayerischen Genossen applaudieren freundlich.

In Umfragen liegt die SPD nur noch zwischen 16 und 18 Prozent. Scholz glaubt dennoch, dass bis zur nächsten Bundestagswahl 30 Prozent plus x drin sind. Die Bürger müssten schnell wieder das Gefühl bekommen, dass das Land bei der SPD in guten Händen sei. Doch erst einmal müssen Scholz und Nahles die skeptischen SPD-Mitglieder von der GroKo überzeugen. An diesem Sonnabend wird das Duo in Hamburg und Hannover bei den ersten von sieben Regionalkonferenzen auftreten. Die Liste der potenziellen sechs SPD-Minister wollen Scholz und Nahles weiter unter Verschluss halten. Keine guten Chancen auf Weiterbeschäftigung werden Außenminister Sigmar Gabriel eingeräumt.

Nahles und Scholz wollen die SPD ohne den langjährigen Vorsitzenden erneuern. Deutschlands populärster Politiker wolle auch nicht um jeden Preis im Amt bleiben. Jeder Parteivorstand habe das Recht, Posten neu zu besetzen. „Da gibt es nichts zu kritisieren und schon gar nicht zu grollen oder zu jammern, sondern zum Abschied leise Servus zu sagen“, sagte Gabriel der „Zeit“. Bei Schulz habe er sich für seine „Mann-mit-Haaren-im-Gesicht“-Bemerkung entschuldigt. „Wir verstehen beide, wo unsere gegenseitigen Verletzungen liegen und dass alles menschlich ist. Wir sind schließlich keine Polit-Maschinen.“