Berlin.

Mehr Kindergeld, eine bessere Mütterrente, ein Teilabbau des Solidaritätszuschlags und ein Ausbau bei der Pflege: Union und SPD haben sich in ihrem 177-seitigen Koalitionsvertrag auf deutliche Entlastungen, bessere Sozialleistungen und eine Bildungsoffensive verständigt. Mindestens 46 Milliarden Euro zusätzlich will die Koalition verteilen – auch dank der jüngsten Überschüsse bei den Steuereinnahmen. Familien mit mittleren Einkommen können mit netto 600 bis 2000 Euro mehr im Jahr rechnen, kalkuliert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Doch mussten die Koalitionspartner auch „schmerzhafte Kompromisse“ machen, wie CDU-Chefin Angela Merkel betonte. Die zehn wichtigsten Punkte:

Der Soli fällt für viele weg

Der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer wird für die Mehrzahl der Steuerzahler abgeschafft. Die Grenze ist bei Alleinstehenden ein zu versteuerndes Einkommen von 61.000 Euro im Jahr, nur noch zehn Prozent der Abgabepflichtigen müssten dann zahlen – die allerdings tragen den größten Batzen der Soli-Last. Der Fiskus verzichtet so auf zehn Milliarden Euro jährlich. Eine große Steuerreform für alle ist aber nicht geplant. Da bleibt die Koalition unter ihren Möglichkeiten – eine umfassende Entlastung der Bürger, wie sie die Union versprochen hatte, wäre machbar.

Krankenkassenbeiträge sinken

Arbeitnehmer werden bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung etwas entlastet, Arbeitgeber müssen im Gegenzug etwas mehr bezahlen – beide Seiten teilen sich wieder je zur Hälfte die Krankenversicherungskosten, der Zusatzbeitrag für Arbeitnehmer von durchschnittlich rund einem Prozent wird dafür abgeschafft. Der Grundsatzstreit zwischen SPD und Union über die Zukunft der Privatkassen, ist aber ungelöst – hier droht viel Streit. Eine Kommission soll Vorschläge für eine gemeinsame Honorarordnung für die gesetzliche und die private Krankenversicherung machen, wie sie die SPD gefordert hatte. Ob diese Vorschläge dann umgesetzt werden, ist völlig offen.

Neues Arbeitsrecht

Die sachgrundlosen Befristungen von Arbeitsverträgen werden eingeschränkt und endlose Kettenverträge abgeschafft – hier hatte die SPD nach den Sondierungen noch Nachbesserungen gefordert, herausgekommen ist ein Kompromiss. Grundlos befristete Verträge sollen wieder zur Ausnahme werden, Arbeitgeber mit mehr als 75 Mitarbeitern dürfen nur noch 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Außerdem wird ein gesetzliches Recht auf befristete Teilzeit eingeführt, also ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle, aber nur für Unternehmen mit über 45 Beschäftigten. Auf diesem Feld hat die SPD Punkte gemacht, doch wie in der letzten Wahlperiode droht viel Streit bei der Umsetzung.

Mehr Geld für Bildung

Mit einem geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen wird eine neue Großbaustelle der Bildungspolitik eröffnet. Der Anspruch soll ab 2025 gelten. Dafür will der Bund in dieser Wahlperiode zwei Milliarden Euro in Ganztagsschulen investieren – zu diesem Zweck wird das grundgesetzliche Kooperationsverbot von Bund und Ländern im Bildungsbereich erneut gelockert. Je 3,5 Milliarden Euro sollen in die digitale Ausstattung der Schulen und in die Kitabetreuung fließen, was Eltern auch bei den Gebühren entlastet. Insgesamt ist ein Milliardenbetrag für Bildung und Forschung geplant. Die Einigung war nicht so schwer: Das Thema hatten sich Union und SPD im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben, Geld ist da.

Weniger Flüchtlinge

Für die Zahl der Zuwanderer wird im Koalitionsvertrag für die nächsten Jahre eine Größenordnung von 180.000 bis 200.000 jährlich genannt. Eine ausdrückliche „Obergrenze“ ist das zwar nicht, doch die Handschrift von CSU-Chef Horst Seehofer, dem künftigen Innenminister, ist erkennbar. Die Familienzusammenführung wird auf monatlich tausend Angehörige begrenzt. Ausnahmen soll es für Härtefälle geben. Verabredet ist auch ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Bessere Pflege

Die Betreuung in Pflegeheimen soll mit einem Sofortprogramm verbessert werden. 8000 neue Fachkraftstellen sind vereinbart, dazu die flächendeckende Anwendung von Tarifverträgen, um die Bezahlung der Altenpfleger in vielen Fällen zu erhöhen. Geplant sind auch verbindliche Personalschlüssel für die Altenheime. Mehr Tages-Betreuungseinrichtungen sollen Angehörige entlasten. Die Koalition packt ein drängendes Problem an, auch wenn die 8000 Stellen nicht reichen werden. Die Mehrkosten für die Pflegeversicherung dürften allerdings mittelfristig zu höheren Beiträgen führen.

Mehr Mütterrente

Die Mütterrente wird noch einmal aufgestockt: Frauen, die vor 1992 mindestens drei Kinder zur Welt gebracht haben, bekommen einen dritten Rentenpunkt gutgeschrieben, was pro Kind etwa 360 Euro pro Jahr mehr bedeutet. Die gesetzliche Rente soll bis 2025 auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent des Durchschnittslohns gesichert werden – gleichzeitig soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Geringverdiener mit mindestens 35 Beitragsjahren bekommen eine Grundrente, die zehn Prozent über der Soziallhilfe liegt. Für Selbstständige wird eine Altersversorgung vorgeschrieben. Allerdings: 2013 ließ es die Koalition bei der Rente richtig krachen, diesmal täuscht der Schein. Die Grundrente im Alter hatten Union und SPD schon vor vier Jahren vereinbart, aber nicht umgesetzt. Die Renten-Garantie für 2025 wird bei halbwegs guter Konjunktur ohne Eingriffe erreicht. Die großen Probleme drohen erst Ende des nächsten Jahrzehnts – da bleibt die Koalition mangels Einigkeit alle Antworten schuldig. Den Streit verlagern Union und SPD in eine Kommission.

Kindergeld wird erhöht

Das Kindergeld soll in zwei Stufen bis 2021 um 25 Euro pro Kind und Monat steigern. Der Kinderzuschlag für Einkommensschwache steigt. Ein „Baukindergeld“ soll Familien eine Eigenkapitalspritze geben, um sich dem Traum vom Eigenheim zu erfüllen: Zehn Jahre lang zahlt der Staat je Kind 1200 Euro jährlich, wenn das Haushaltseinkommen 75.000 Euro nicht übersteigt.

Milliarden für Wohnungsbau

Mit einer Milliardenförderung soll der Wohnungsbau angekurbelt werden. Zwei Milliarden sind für die Eigentumsförderung von Familien und für Investitionsanreize geplant, zwei Milliarden für den sozialen Wohnungsbau. So sollen insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen entstehen. Außerdem wollen Union und SPD die Mietpreisbremse nachbessern und Vermieter verpflichten, die Vormiete offenzulegen.

Schnelles Internet bis 2025

Die Digitalisierung soll zum Großthema der Koalition werden. Bis 2025 soll ein Recht auf einen Hochgeschwindigkeitszugang zum Internet für jeden in Deutschland gesetzlich verankert werden. Zum Netzausbau wollen Union und SPD in den nächsten Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro bereitstellen. Die Koalition arbeitet damit Versäumnisse der letzten Wahlperiode auf, Deutschland hinkt beim schnellen Internet hinterher.