Jerusalem/Berlin.

Herzlichkeit sieht anders aus. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reicht seinem Gast Sigmar Gabriel vor wenigen Journalisten in dem kleinen Kabinettssaal seiner Regierungszentrale zwar gleich dreimal die Hand. Aber es funkt nicht. Herzhaftes Lachen, Schulterklopfen, ein Scherz. Alles, was man machen könnte, um dem Publikum enge Verbundenheit zu signalisieren, bleibt aus. Dreimal ein kurzer, kühler Händedruck. Das ist alles.

40 Minuten sprechen beide am Mittwochmorgen. Auch danach, beim vierminütigen Auftritt vor der Presse, werden die Differenzen deutlich. Beim Thema einer Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina fallen sie besonders auf. Gabriel sagt, er sei „sehr dankbar zu hören, dass auch Israel zwei Staaten haben will – allerdings eben mit sicheren israelischen Grenzen“. Netanjahu unterbricht den deutschen Außenminister: „Ob es als Staat definiert werden kann, wenn wir die militärische Kontrolle haben, ist eine andere Sache, aber ich will lieber nicht über Begriffe, sondern über Inhalte sprechen.“ Netanjahu steht unter Druck. Teile seiner Likud-Partei sind strikt gegen eine Zwei-Staaten-Lösung.

Danach muss der israelische Premier weg. Ein Gespräch mit Gabriel in größerem Kreis sagt Netanjahu ab. Der Ministerpräsident muss vor dem israelischen Parlament eine Rede zum Tod von Chaim Guri halten, dem wichtigsten Dichter der Gründergeneration Israels.

Dass überhaupt ein Treffen zwischen Netanjahu und Gabriel stattgefunden hat, ist ein Fortschritt. Eigentlich war es für den 25. April 2017 geplant. Gabriel absolvierte damals seinen Antrittsbesuch in Israel. Netanjahu ließ den SPD-Politiker abblitzen, weil dieser nicht auf ein Gespräch mit Regierungskritikern verzichten wollte. Ein Eklat, den es so noch nicht gegeben hat zwischen beiden Ländern.

Wie Netanjahu und Gabriel damit umgingen, machte es nicht besser. Zuerst ließ der israelische Regierungschef Gabriel per Interview in einer deutschen Zeitung wissen: „Mein Grundsatz ist ganz einfach: Ich empfange keine Diplomaten anderer Länder, die Israel besuchen und sich dabei mit Organisationen treffen, die unsere Soldaten Kriegsverbrecher nennen.“ Gabriel antwortete ebenfalls über eine Zeitung: „Die aktuelle Regierung ist nicht Israel, auch wenn sie das gern so darstellt.“ Danach folgte ein halbes Jahr Funkstille. Den ersten Schritt zur Versöhnung machte Netanjahu. Er rief Gabriel im November an, nachdem in Berlin eine Vereinbarung zum Export dreier U-Boote für Israel unterzeichnet wurde.

Am Mittwochmittag trifft Gabriel Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah. Der Außenminister rügt die Parteinahme der USA in dem Konflikt und nennt dabei die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Sie mache „auf viele Menschen außerhalb der Region und sicher auch hier in Palästina den Eindruck, dass wir uns im Grunde jeden Tag ein Stück weiter vom Osloer Friedensprozess entfernen“, betont Gabriel.

Auch später will der Minister klare Kante zeigen. Bei einer Rede auf einer sicherheitspolitischen Konferenz in Tel Aviv fordert er von Israel, eine Strategie für die Lösung des Konflikts mit den Palästinensern vorzulegen. Als Freund Israels sei er „zutiefst besorgt über Israels mittel- und langfristige Optionen“. Gabriel warnt auch, dass es in Europa eine wachsende Frustration gebe. „Auch in Deutschland, und ehrlicherweise innerhalb meiner eigenen Partei, fühlen sich junge Menschen immer weniger geneigt, eine aus ihrer Sicht unfaire Behandlung der Palästinenser zu akzeptieren.“