Washington.

Weil er ein selbstverliebter Party- und Baulöwe ist, hat man Steve Wynn viele Jahre den „Donald Trump des Westens“ genannt. Der Vergleich hinkt. Der heutige Präsident Amerikas hat als Geschäftsmann seine Glücksspieltempel in Atlantic City reihenweise in den Sand gesetzt. Die Blüte der Zockermetropole Las Vegas ist ohne den just 76 Jahre alt gewordenen Casino-Krösus dagegen kaum denkbar.

Wynn hat Häuser wie das „Mirage“, das „Treasure Island“, das „Bellagio“ und das „Encore“ aufgebaut und das ehemalige Kaff in der Wüste Nevadas mit gigantischen künstlichen Wasserfontänen, Top-Gourmetköchen und den weißen Tigern von Siegfried und Roy vertraut gemacht. Heute gebietet Wynn dort über 4500 Hotelzimmer. „Forbes“ taxiert sein Privatvermögen auf rund drei Milliarden Dollar.

Auch darum war Donald Trump heilfroh, als der kapriziöse Geschäftsmann ihn nach anfänglicher Sympathie für den Kandidaten Marco Rubio im Präsidentschaftswahlkampf unterstützte und sich später – auf Wunsch Trumps – den Republikanern als findiger Geldeintreiber und Spender zur Verfügung stellte.

Wynn glaubt, seine Ex-Frau stecke hinter den Vorwürfen

Knapp 107 Millionen Dollar nahm das republikanische Parteikomitee RNC allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres ein. Alles Geschichte. Am Wochenende ist die Glückssträhne Wynns, der Literatur studiert hat und von seinem früh verstorbenen Vater 350.000 Dollar Spielschulden erbte, wegen eines heftigen Sexskandals gerissen. Und die „Grand Old Party“ muss sich wenige Monate vor den Zwischenwahlen im Kongress einen neuen Schatzmeister suchen.

„Der unglaubliche Erfolg, den wir erreicht haben, muss weitergehen“, schreibt Wynn in seiner Rücktrittserklärung, „die Arbeit, die wir tun, um Amerika besser zu machen, ist zu wichtig, um durch diese Ablenkung beeinträchtigt zu werden.“

Die „Ablenkung“ besteht aus einem Enthüllungsbericht im „Wall Street Journal“. Ressort: Machtmissbrauch durch Männer, die sich für unangreifbar halten. Jener Themenbereich, der seit dem tiefen Fall des Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein in Amerika nahezu täglich floriert und in dem auch Trump bereits Schlagzeilen geschrieben hat.

Das von seinem Freund Rupert Murdoch herausgegebene „Journal“ hatte erst vor wenigen Tagen eine angeblich elf Jahre zurückliegende außereheliche Liaison des Präsidenten mit einer bekannten Porno-Darstellerin zum Thema gemacht. Stephanie Clifford soll mit einer sechsstelligen Summe zum Schweigen gebracht worden sein.

Im Nachgang der Veröffentlichung blies First Lady Melania Trump ihre Mitreise zum Weltwirtschaftsforum in Davos kurzfristig ab, besuchte stattdessen das Holocaust-Museum in Washington, flog nach Florida und nährte in US-Boulevardmedien Spekulationen über die Festigkeit von Trumps dritter Ehe. Was eine Sprecherin der Präsidentengattin etwas ungelenk als „unrealistisches Szenario“ und „anzügliche“ Unwahrheit dementieren ließ. „Stormy Daniels“, so der Künstlername der früheren Gespielin Trumps, bleibt aber nicht stumm. Unmittelbar nach der mit Spannung erwarteten ersten „Rede zur Lage der Nation“ (State of the Union) Trumps am Dienstagabend (Ortszeit) wird sie in der renommierten Fernseh-Talkshow von Jimmy Kimmel erstmals öffentlich Rede und Antwort stehen.

Trump wie Wynn streiten die gegen sie erhobenen Vorwürfe rundheraus ab. Damit sind die Gemeinsamkeiten aber nicht erschöpft. Während Trumps Anwalt Michael Cohen der Porno-Aktrice über ein verwegenes Konstrukt im Geldwäscher-Bundesstaat Delaware 130.000 Dollar zugeschanzt haben soll, musste Wynn für den 2005 einer Fingernagelpflegerin abgetrotzten Sex laut „Wall Street Journal“ 7,5 Millionen Dollar Kompensation hinblättern.

Wynns Appetit auf ausführliche körperliche Zuwendung soll nach Berichten von Dutzenden Zeugen, die sich den Reportern mit teilweise erschütternden Details offenbarten, kaum zu stillen gewesen sein – und das über Jahrzehnte. Um sich dem Beuteschema des Bosses zu entziehen, wurde Massage-Therapeutinnen und Maniküre-Kräften geraten, sich zu verstecken oder totzustellen, wenn Wynn im Haus war. Viele Frauen fügten sich am Ende aus Angst, sie könnten sonst ihren Arbeitsplatz verlieren.

Wynn nennt die Vorwürfe „absurd“. Dahinter, sagte er, stecke seine ehemalige Gattin Elaine, mit der er sich seit geraumer Zeit in einem „fiesen“ juristischen Streit um die Größe der finanziellen Trostpflaster nach dem Ende der Ehe befinde.

Dabei wiegt der politische Bruch, der zwischen Wynn und der republikanischen Partei, ebenso schwer. Bisher hatten die Konservativen stets mit dem Finger auf die Demokraten gezeigt und gefragt: „Wann zahlt ihr die Parteispenden von Harvey Weinstein zurück?“ Auf den Konter war man nicht vorbereitet: Wann sagt sich das Organisationskomitee der Republikaner (RNC) von rund fünf Millionen Dollar los, die Steve Wynn auf verschiedenen Ebenen an die Republikaner überwiesen hat? Bislang gibt die RNC-Vorsitzende Ronna McDaniel dazu keinen Kommentar.

Der Aufsichtsrat leitet eine Untersuchung ein

Um den Dingen auf den Grund zu gehen, hat der Aufsichtsrat des an der Börse notierten Unternehmens von Wynn, das bereits erhebliche Kursverluste hinnehmen musste, eine unabhängige Untersuchung eingeleitet. Sie könnte mit der Demission des Tycoons enden, der gerade in Las Vegas für rund 330 Millionen Dollar direkt an der Vergnügungsmeile „Strip“ ein Grundstück für eine weitere Casino-Expansion erworben hat.

Donald Trump war seinem langjährigen Weggefährten bisher keine Hilfe. Nicht mal eine Solidaritätsadresse in den sozialen Netzwerken brachte er zustande. Als der Bericht im „Wall Street Journal“ erschien, bediente der Präsident (oder einer seiner Mitarbeiter) auf Twitter zunächst die „Gefällt mir“- Funktion.