Rom. Wien geht im Konflikt um Doppelpass für Südtiroler in die Offensive – zum Ärger der Betroffenen

Seit dem Amtsantritt der österreichischen Regierung droht das Thema Doppelpass für Südtiroler die angespannten Beziehungen zu Italien weiter zu verschlechtern. Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl zündelte bereits bei ihrer Ankunft in Rom mit der Ankündigung, beim Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano werde sie das Thema „aktiv aufbringen“. Warnungen des Südtiroler Landeshauptmanns Arno Kompatscher vor der Sprengkraft des Themas schlug die FPÖ-Politikerin in den Wind.

Nach den Plänen der österreichischen Koalition könnten drei Viertel der rund 520.000 Einwohner des seit 1919 zu Italien gehörenden Südtirols den Pass des Nachbarlands beantragen. Im Wissen um die mühsame Versöhnungsarbeit der vergangenen Jahrzehnten zwischen deutsch- und italienischsprachigen Südtirolern hatte Landeshauptmann Kompatscher das Vorhaben scharf kritisiert. Es dürfe „nichts Trennendes sein“ und keinen „nationalistischen Ansatz“ verfolgen. Mit seiner Ankündigung in Bozen, die Umsetzung des Doppelpasses werde „bald angegangen“, habe der FPÖ-Südtirol-Sprecher Werner Neubauer „mehr Schaden angerichtet als der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen“, warnte Kompatscher.

Vor allem rechte Oppositionsparteien wie die Süd-Tiroler Freiheit und die Südtiroler Freiheitlichen bemühen sich seit Jahren, das Thema Doppelpass voranzutreiben. Nun schlug der Landeshauptmann vor, nicht nur deutschsprachigen und ladinischen Südtirolern sondern auch Nachfahren der unter Mussolini in der Region zwangsangesiedelten Italiener Zugang zur österreichischen Staatsangehörigkeit zu gewähren.

Die Erinnerung an Attentate von Südtiroler Separatisten und die anhaltenden Spannungen zwischen den Bevölkerungsteilen sind in der wirtschaftlich prosperierenden Region noch frisch. Bis heute ist das faschistische Siegesdenkmal in Bozen von einem hohen Schutzzaun vor Anschlägen, aber auch italienischen Triumphkundgebungen nach Fußballspielen geschützt. Es erinnert an die Zeit der Drangsalierung der deutschsprachigen Bevölkerung während des Faschismus in Italien und den Versuch, sie zwangsweise zu italianisieren. Heute verfügt Südtirol über weitgehende Autonomie, die innerhalb Europas als Vorbild für andere Regionen wie Katalonien gilt. Mit seinen Plänen für den Doppelpass könne Österreich die Garantien seines international anerkannten Status als Schutzmacht der Südtiroler sogar schwächen, argumentieren Kritiker. Damit würden nicht nur die Spannungen zwischen den Sprachgruppen neu geschürt. Auch die deutschsprachige Mehrheit selbst droht, sich in Anhänger und Gegner des Vorhabens zu spalten.

Auch beim Umgang mit dem Flüchtlingsstrom erzielten die Außenminister beider Länder keine Einigung. Italien fühlt sich mit dem Flüchtlingsansturm von der Europäischen Union alleingelassen. Im Rahmen des 2015 vereinbarten Relocation-Programms übernahm Österreich bislang nur 17 der knapp 2000 zugesagten Flüchtlinge. Die Umverteilung in andere EU-Länder sei noch nicht auf ihrem Schreibtisch, sagte Kneissl in Rom. Italien und Österreich hätten in der Migrationsfrage „unterschiedliche Ansichten“.