Rom.

Silvio Berlusconis Kampfeslust ist ungebrochen. Um Italien vor dem Aufstieg der populistischen „Fünf-Sterne-Bewegung“ zu retten, will der 81-Jährige erneut Ministerpräsident werden. Dabei galt der ehemalige italienische Regierungschef seit der Verurteilung wegen Steuerbetrugs im Jahr 2013 als politisch tot. Bei den Parlamentswahlen am 4. März kann er wegen eines Ämterverbots auch gar nicht selbst kandidieren. Und der Europäische Menschenrechtsgerichtshof wird voraussichtlich erst nach dem Urnengang über Berlusconis Klage gegen die gegen ihn verhängte Maßnahme entscheiden.

Doch das ficht den dank Schönheitsoperationen faltenlosen Berlusconi nicht an. „Berlusconi presidente“ steht im Logo seiner Partei „Forza Italia“.
Daraus wird wohl nichts werden, aber mit einem Sieg der von ihm angeführten Rechtskoalition mit der fremdenfeindlichen „Lega Nord“ und den rechtsnationalen „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens) hätte er nicht nur entscheidenden Einfluss auf die Regierungsbildung, sondern er könnte auch im Hintergrund die Fäden ziehen. Mit 28 Prozent liegt zwar die alternative „Fünf-Sterne-Bewegung“ in Umfragen als Einzelpartei vorn. Berlusconis Drei-Parteien-Bündnis kommt derzeit jedoch auf rund 30 Prozent, während die Demokraten von Ministerpräsident Paolo Gentiloni nach mehreren Abspaltungen nur noch bei 23 Prozent liegen.

Sein Rezept: Steuern senken und Sozialgeld erhöhen

Wie er sich seine Rückkehr an die Macht organisieren will, erklärte er wie immer im hauseigenen Fernsehsalon seiner Duzfreundin Barbara D’Urso auf Canale 5. Von der mit Minikleidchen und hohen Hacken ausstaffierten Blondine aufs Herzlichste empfangen, malte der Chef des Fernsehimperiums Mediaset den Teufel an die Wand. Wie kein anderer versteht er es, die Ängste der Italiener zu wecken. Seinen Eintritt in die Politik begründete er 1994 mit der Notwendigkeit, sein Land vor den Kommunisten zu retten. Im weißen Ledersessel strahlte er nun seine Moderatorin an und warnte genüsslich vor einem angeblich durch die „Fünf-Sterne-Bewegung“ drohenden Desaster und vor Horden von kriminellen Flüchtlingen.

„In dieser Situation nicht zur Wahl zu gehen, wäre Selbstmord“, raunt der Fernsehprofi der großäugig staunenden Moderatorin zu. Heute sei das Risiko sogar noch größer als 1994. Im Falle eines Siegs der „Fünf-Sterne-Bewegung“ würden extrem hohe Steuern eingeführt, warnt der Parteichef, der seit jeher mit dem Versprechen von Steuersenkungen und Amnestiegesetzen für Bausünden Wählerstimmen sammelt. Die „Grillini“, wie die „Fünf-Sterne-Bewegung“ nach ihrem Gründer, dem Komiker Beppe Grillo, genannt wird, seien inkompetent, neidisch und von Hass auf die Reichen zerfressen, sagt Berlusconi. Er spielt auf die Tatsache an, dass der Spitzenkandidat der Bewegung, Luigi Di Maio, sein Studium nie abschloss. Sie seien „fast eine Sekte, die Befehlen eines alten Komikers und eines unbekannten Sohns des verstorbenen Freundes des Komikers folgt“. Grillo hält sich im Wahlkampf zwar zurück, die Kontrolle über die Server, über die die Bewegung organisiert ist, liegt jedoch nach wie vor in den Händen der Firma des Sohnes von Davide Casaleggio, dem verstorbenen Mitgründer der Bewegung. Die Partei des streitbaren Komikers würde Italien in die Hände einer „militanten Staatsanwaltschaft“ legen, wiederholt Berlusconi sein
Mantra von einer Justiz, die all ihre Waffen allein auf ihn richtet. Fazit: „Wenn sie gewinnen sollten, würden sie Italien in die Katastrophe führen.“

Als zweite große Gefahr stellt Berlusconi die von Migranten begangenen Straftaten dar: „Um zu essen, müssen sie kriminell werden.“ Die hohe Zahl an afrikanischen Flüchtlingen, die aufgrund der Dublin-Richtlinie nicht mehr nach Nordeuropa weiterziehen dürfen, macht in der Tat vielen Italienern Angst. Berlusconi präsentiert eine Reihe von Zahlen, die er von Zetteln abliest, die nach dem Faktencheck einer Zeitung jedoch nicht der Realität entsprechen. „Alle zwanzig Sekunden wird in Italien ein Verbrechen verübt“, warnt er. „Jede Minute ein Verkehrsdelikt, alle zwei Minuten ein Einbruch.“ Die Immigranten plünderten zuerst den Kühlschrank, bevor sie sich um Geld und Juwelen kümmerten. Den Migrantenstrom müsse man in den Ursprungsländern bekämpfen, findet Berlusconi unter Verweis auf seine Abkommen mit dem damaligen libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi.

Die grassierende Steuerhinterziehung will der wegen Steuerbetrugs verurteilte Unternehmer mit einer Flat-Tax von 23 Prozent bekämpfen. Die dann um 30 Milliarden Euro sinkenden Einnahmen könnten durch den Anreiz, Steuern zu zahlen, ausgeglichen werden. Wer wie bisher mehr als ein Drittel seines Einkommens an den Fiskus weiterleiten muss, würde geradezu zur Steuerhinterziehung verleitet. Obwohl Italien mit rekordverdächtigen 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet ist, kündigt Berlusconi auch eine Anhebung des Sozialgeldes an. Die nötigen Mittel würden sich finden, „indem man die Wirtschaft zum Laufen bringt“. Mittlerweile beherrscht sein Erfolgsrezept, Abgabensenkungen zu versprechen, den gesamten Wahlkampf. Berlusconi selbst kündigte die Abschaffung der Automobilsteuer und der besonders verhassten Abgabe auf das Eigenheim an. Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi von den Demokraten versucht, seine Partei aus dem Umfragetief zu holen, indem er die Abschaffung der Rundfunkgebühr ankündigt. Wie der besonders aufgeblähte Staatsapparat der RAI dann finanziert werden soll, verriet Renzi bislang nicht.

Obwohl Italiens Wähler sich angesichts der allgemeinen Tendenz zu unhaltbaren Versprechen immer illusionsloser geben, könnte Berlusconi im Verbund mit „Lega“ und den „Fratelli“ der Machtwechsel gelingen. Auch in der Vergangenheit trauten dem erfolgreichen Unternehmer viele Wähler zu, Italiens Probleme mit der gleichen Schläue zu lösen, mit der er sein Medienimperium ausbaute.