Tunis/Damaskus.

Aus Genf waren Assads Unterhändler Mitte Dezember nach wenigen Tagen abgereist. Sie zeigten kein Interesse, ernsthaft mit der Opposition zu verhandeln. Stattdessen setzt das Regime in Damaskus weiter unbeirrt auf den militärischen Sieg. An Weihnachten begannen seine Bodentruppen – unterstützt von iranischen Milizen und russischen Kampfjets – mit einer Blitzoffensive gegen die nordwestliche Provinz Idlib, bisher die wichtigste Bastion der Rebellen in Syrien. Hier leben nach UN-Angaben 2,6 Millionen Menschen, gut eine Million von ihnen sind Flüchtlinge aus anderen Teilen des Landes, vor allem aus dem vor einem Jahr evakuierten Ost-Aleppo.

Gleich reihenweise erobert Syriens Armee derzeit Dörfer in dem Rebellen-Gebiet. Aus drei Richtungen stoßen Assads Truppen auf die zentral gelegene Luftwaffenbasis Abu al-Suhur vor, die das Regime vor zwei Jahren an die Aufständischen verlor. Sollten sich diese Korridore schließen lassen, wäre das Rebellengebiet in zwei Hälften zerteilt sowie ein weiterer großer Landstrich der Opposition komplett umzingelt. Um dieser Umklammerung zu entgehen, fliehen die Menschen derzeit zu Zehntausenden nach Norden in Richtung türkische Grenze. Die Türkei reagierte alarmiert. Ankara fürchtet nicht nur eine neue Flüchtlingswelle zusätzlich zu den drei Millionen bereits im Land lebenden Syrern. Die türkische Führung argwöhnt auch, von den Assad-Freunden Iran und Russland im Machtpoker um das Nachkriegssyrien über den Tisch gezogen zu werden.

Idlib gehört zu den vier Deeskalationszonen, auf die sich Russland, Iran und die Türkei geeinigt haben. In diesen Schutzgebieten soll nicht mehr gekämpft und die Feuerpause von den drei Mächten überwacht werden. Sie gilt jedoch nicht für die Dschihadisten von Hayat Tahrir as-Sham, die große Teile von Idlib kontrollieren. Die Kontingente der Freien Syrischen Armee dagegen sind hier relativ klein. Und so wollen Assad und Irans Schiitenmilizen von einem Waffenstillstand nichts wissen. Sie wollen das ganze Syrien und lehnen Kompromisse mit ihren Gegnern ab. Aufgebracht wandte sich der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu jetzt an die Führungen in Moskau und Teheran. „Wenn ihr Garantiemächte seid, und das seid ihr, müsst ihr das Regime stoppen“, erklärte er.

Parallel dazu bestellte Ankara den iranischen und russischen Botschafter ein, um ihnen „das Unbehagen der Türkei“ über die „Verletzung der Grenzen der Deeskalationszone in Idlib“ zu übermitteln. Zudem ließ die türkische Führung durchblicken, man könne die von Kreml-Chef Wladimir Putin für den 29. und 30. Januar im russischen Badeort Sotchi anberaumte Konferenz des Nationalen Dialogs auch boykottieren.

„Angriffe am Boden und Bombardierungen aus der Luft gefährden die Sicherheit von Hunderttausenden Zivilisten“, beklagte derweil der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein.

Diktator Assad schmiedet bereits Pläne für den Wiederaufbau. Der Iran soll das Stromnetz reparieren und neue Kraftwerke bauen. Russland bekam seine Luftwaffenbasis nahe Latakia und den Marinestützpunkt in Tartus für 30 Jahre garantiert. Und EU-Gelder hat das Regime ebenfalls fest im Blick. Die Mittel jedoch sollen erst fließen, wenn es einen echten politischen Übergang „weg von Assad“ gibt, hieß es von den EU-Außenministern. Doch danach sieht es nach dem Scheitern von Genf und der Idlib-Offensive nicht aus. „Eine solche Politisierung von Hilfsgeldern ist nicht akzeptabel“, schimpfte Russlands Vizeaußenminister Gennady Gatilow, wohl wissend, dass Russland und Iran die auf 280 Milliarden Euro geschätzten Kosten für den Wiederaufbau Syriens nicht allein schultern können.

Europa steckt in der Zwickmühle. Bleibt Assad und fließen die Hilfen, werden viele Flüchtlinge aus Angst vor dem Regime nicht in ihre Heimat zurückkehren. Bleibt Assad und verweigert Brüssel Geld, werden große Teile Syriens noch auf Jahrzehnte unbewohnbar bleiben.