Al Azrak/Amman. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen besucht Soldaten in Jordanien und dämpft Hoffnung auf rasches Ende des Einsatzes

Wenn sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) selbst in die Wüste schickt, dann mit Begleitung. Als sie am Sonnabend in al Azrak aus dem Airbus A340 steigt, sind sieben Bundestagsabgeordnete im Schlepptau der Ministerin. Das ist an diesem Ort mehr als eine Frage der politischen Etikette – es ist ein Statement. Sie besuchen einen Stützpunkt der Luftwaffe, der von Incirlik hierhin verlegt wurde, weil die Parlamentarier in Jordanien anders als in der Türkei willkommen sind. Auf den schikanösen Umgang des Nato-Partners mit den Abgeordneten reagierte die Parlamentsarmee mit dem Umzug nach Jordanien.

Seit Ende 2015 beteiligt sich die Bundeswehr am Militäreinsatz gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien und Nordirak. Das deutsche Mandat endet im März und wird wohl verlängert, allerdings auf künftig niedrigerem Niveau. Die Mandatsobergrenze liegt bei 1200 Soldaten. Derzeit sind aber nur 300 stationiert. Das liegt daran, dass der Begleitschutz der Bundesmarine für einen französischen Flugzeugträger sich erledigt hat. Geblieben ist der Auftrag die Luftwaffe, nunmehr also in al Azrak, 100 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, 50 Kilometer südlich der Grenze nach Syrien.

Als von der Leyen am Sonnabend ankommt, steht die Sonne hoch am Himmel, es ist fast 20 Grad warm, die Luft ist trocken, die Sicht klar, der Horizont schier endlos, eine karge Wüstenlandschaft, flach wie ein straff gezogenes Laken. Camp Sonic ist riesig, man fährt minutenlang entlang der zwei Start- und Landebahnen, vorbei an Zelten, Hangars und Gebäuden, an Kampfmaschinen vom Typ F15, F16 oder Mirage und an den Drohnen der Amerikaner. Die Bundeswehr hat einen mobilen Gefechtsstand aufgestellt, 27 klimatisierte Container.

Seit Oktober 2017 sind vier Tornados stationiert, in Deutschland stehen zwei weitere der zweisitzigen Kampfflugzeuge in Bereitschaft. Die Bordkanone oder Raketen sucht man vergebens. Was diese Maschinen auszeichnet, ist die Elektronik, die Telekamera, die Panoramakamera mit fünf Objektiven, die Infrarotkamera. Es sind Aufklärungsflugzeuge. Suchen, finden, bestätigen, so lässt sich auf einen Nenner bringen, was die Luftwaffe hier tut. Die Fotos und Daten, die noch im Flug an die Basisstation gesendet werden, helfen den Alliierten, sich ein Bild von der Lage zu machen, genauer: von den verbliebenen Stellungen des IS.

Nach einem Rundgang und einem Gespräch mit den Soldaten verkündet von der Leyen markig, der IS sei zwar „vertrieben“ worden, „aber wir sehen auch, dass immer wieder Kämpfe aufflackern, dass der IS nicht verschwunden ist“. Der IS sei nicht zu unterschätzen, sagt die Verteidigungsministerin. „Wir wissen, dass wir verhindern müssen, dass er sich an Rückzugsorten einnistet.“ Die Botschaft ist unmissverständlich: Die Tornados werden weiter gebraucht.

Mehr als 1100 Einsatzflüge haben sie seit Beginn der Mission „Operation Inherent Resolve“ (OIR) im Dezember 2015 absolviert, davon 150 in Jordanien. Der Vorteil der Maschinen ist die Geschwindigkeit und Reichweite, binnen kürzester Zeit können sie eine große Fläche erkunden. Die Militärs schwärmen, die Sensorik an Bord sei von hoher Qualität, die Bilder gestochen scharf. Die Aufträge sind freilich spärlicher und schwieriger geworden, je mehr der IS in den Untergrund geht. Schon heute gleicht die Aufgabe der Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“, erzählt der Staffelkapitän des Einsatzkontingents, Major Dominique G. Früher oder später wird sich die Sinnfrage stellen. Wie lange wird die Bundeswehr hier noch gebraucht?

Eine andere Spezialistenaufgabe ist die Luftbetankung. Auf dem Rollfeld wartet ein grauer Airbus A310. Die Luftwaffe besitzt vier davon, jeweils einen für den Transport von Truppen und Fracht, einen zur medizinischen Evakuierung von Verletzten und eben ein Tankflugzeug. 280 Soldaten sind in al Azrak stationiert, hinzu kommen einige Stabsoffiziere bei der Allianz, die in Katar, Jordanien, Kuwait und Irak Verbindungs-, Beratungs- und Unterstützungsaufgaben haben.

Im Hauptquartier in Katar sitzt auch – im Nato-Jargon – der „Red Card Holder“. Das ist ein Offizier, der darauf achtet, dass jeder Auftrag dem Mandat entspricht. In einem zweiten Schritt werden die von den Tornados gewonnenen Informationen geprüft, bevor sie an die Partner weitergereicht werden. So wird zweifach Sorge dafür getragen, dass die Truppe nur umsetzt, was der Bundestag in Berlin beschlossen hat.

Es ist von der Leyens zweiter Besuch im Camp. Ein weiterer Anlass der Reise ist die Ertüchtigungsinitiative. Darunter versteht man eine Reihe von Hilfsleistungen für Jordanien. Von der Leyen übergibt am Sonntag die letzten von 70 Lastwagen und 56 Kleinbussen, darüber hinaus zwei Schul- und Trainingsflugzeuge. Die Fahrzeuge sind für die Betreuung der 600.000 Flüchtlinge in Jordanien, von denen 50.000 in al Azrak kampieren. Die Flugzeuge dienen der Ausbildung der jordanischen Luftwaffe und sollen auch zur Grenzsicherung eingesetzt werden.

Die Mission stärkt die Rolle als Parlamentsarmee

Der Militäreinsatz steht für das Primat des Parlaments und die Vernetzung von militärischer und ziviler Hilfe. Allein die Ertüchtigungsinitiative ließ sich die Bundesregierung 2017 rund 130 Millionen Euro kosten. Insgesamt betrugen alle Hilfen für Jordanien in den vergangenen zwei Jahren weit über eine Milliarden Euro. Für die Bundesregierung spielt Jordanien eine Schlüsselrolle in der Region. Es sei eine „Stimme der Vernunft“, so von der Leyen. Was das Land zur Flüchtlingshilfe geleistet habe, „nötigt uns Hochachtung und Respekt“ ab. In ihren Sondierungsgesprächen haben SPD und Union vereinbart, das Mandat zu ändern und verstärkt auf die Stabilisierung der Region abzustellen, auf Ausbildung sowie finanzielle und materielle Unterstützung. Es ist gut möglich, dass die Bundeswehr sich den Stützpunkt in al Azrak über den aktuellen Einsatz hinaus erhalten möchte. Von der Leyen spricht von einer „auf Dauer angelegten Zusammenarbeit“. Die Bedingungen sind gut, die Region strategisch relevant, alternativ kämen die Türkei und Zypern infrage. Aber der Nato-Partner Türkei ist unten durch.