Athen.

Für die Bewohner der griechischen Hauptstadt Athen wird die neue Woche chaotisch beginnen: Alle öffentlichen Verkehrsmittel werden bestreikt. Endlose Staus auf den Straßen dürften die Folge sein. Behörden und Ämter bleiben geschlossen. Auch das Personal der staatlichen Krankenhäuser will die Arbeit niederlegen. Weil die Lehrergewerkschaften zum Ausstand aufgerufen haben, wird in vielen Schulen der Unterricht ausfallen. Betroffen ist auch der Flugverkehr: Die griechischen Fluglotsen wollen von 11 Uhr bis 14 Uhr MEZ streiken. Hunderte Flüge müssen deshalb annulliert oder verlegt werden.

Anarchistische Gruppen könnten Kundgebungen nutzen

Nachdem die Gewerkschaften bereits am vergangenen Freitag mit zahlreichen Ausständen gegen das Spar- und Reformpaket der Regierung protestiert hatten, sollen die Arbeitsniederlegungen jetzt ausgeweitet werden. Auf erbitterten Widerstand der Gewerkschaften stoßen vor allem die Einschränkungen des Streikrechts, über die das Parlament in Athen am Montagabend abstimmen soll.

Verschärft wird das Verkehrschaos durch Protestkundgebungen, zu denen die Gewerkschaften aufgerufen haben. Polizei wird im Stadtzentrum mit einem Großaufgebot zugegen sein. Man fürchtet, dass anarchistische Gruppen versuchen könnten, die Kundgebungen für Ausschreitungen zu nutzen.

Das 399 Artikel und rund 1500 Seiten umfassende Gesetzespaket, über das die Abgeordneten am Montagabend abstimmen sollen, enthält zahlreiche Reformschritte und Sparmaßnahmen, die der Links-Premier Alexis Tsipras als Bedingung für weitere Hilfskredite umsetzen muss. Dazu gehören Kürzungen beim Kindergeld und anderen Zulagen. Das Gesetz erleichtert Zwangsvollstreckungen gegenüber Steuerschuldnern und ebnet den Weg für weitere Privatisierungen öffentlicher Unternehmen.

Was den Widerspruch der Gewerkschaften auslöst, sind aber vor allem die Änderungen im Streikrecht. Streiks in einzelnen Unternehmen sollen künftig nur dann erlaubt sein, wenn mindestens 50 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder der Firma an einer Urabstimmung teilnehmen und davon die absolute Mehrheit zustimmt. Bisher reichten 20 Prozent zur Teilnahme.

In der Praxis hat die Reform keine große Bedeutung. Denn landes- oder branchenweite Streiks sind von der Neuregelung unberührt. Sie können von den Vorständen der Gewerkschafts-Dachverbände ohne Zustimmung der Mitglieder beschlossen werden. Gewerkschafter befürchten aber, dass früher oder später auch für solche Arbeitskämpfe Urabstimmungen eingeführt werden könnten.