SPD-Vize-Chef Ralf Stegner durchbricht am dritten Tag der Sondierungen charmant das schwarz-rote Twitterverbot. Zum Markenzeichen des Genossen aus Kiel gehört sein morgendlicher Musiktipp an die Internet-Gemeinde. Am Dienstag empfiehlt er den Titel „Don’t speak“ („Sag nichts“) der US-Rockband No Doubt. Stegner zielt damit auf Armin Laschet.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende hatte am Vortag zum Ärger der Sozialdemokraten die Einigung in der Energie- und Klimaschutzpolitik ausgeplaudert. Während Stegner, der zum Sondierungsteam der SPD gehört, die Misstöne musikalisch verarbeitet, macht Andrea Nahles aus ihrer Wut über die „Durchstechereien“ keinen Hehl. „Ich kann nur alle in der Union auffordern, den Jamaika-Modus jetzt endgültig abzustellen“, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende mit heiserer Stimme auf dem Bürgersteig vor der bayerischen Landesvertretung in Berlin. Der SPD-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag, Norbert Römer, wirft Laschet einen „eklatanten Wortbruch“ vor: „Armin Laschet ist ‘ne Plaudertasche.“ Der größte SPD-Landesverband steht einer Neuauflage einer großen Koalition äußerst kritisch gegenüber.

Bei den letztlich gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen waren ständig Informationen nach außen gedrungen, was Vertrauen erschütterte.

Deshalb hatten die Chefs von CDU, CSU und SPD den 39 Sondierern bis Freitag ein Twitter- und Interviewverbot auferlegt. Dann soll ein mehrseitiges Ergebnispapier vorliegen, auf dessen Grundlage vor allem die SPD-Spitze entscheiden wird, ob sie dem Sonderparteitag am 21. Januar Koalitionsverhandlungen empfehlen kann. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) bemühte sich, Laschets Aussagen herunterzudimmen. Es gebe bisher nur Zwischenergebnisse. „Alles ist erst verhandelt, wenn alles verhandelt ist.“

Aus dem dieser Redaktion vorliegenden Energie-Ergebnispapier geht hervor, dass Union und SPD sich von dem ohnehin nur noch schwer erreichbaren deutschen Klimaziel für 2020 (40 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoß gegenüber 1990) verabschieden wollen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Wahlkampf versprochen, diese Marke einzuhalten. Umweltverbände übten scharfe Kritik an den Plänen, ebenso der linke Flügel der SPD. „Klimaziele gekippt? Oder „nur realistisch eingeschätzt“? Toll! Und das soll die Zustimmung zur GroKo bringen?“, twitterte die Abgeordnete Hilde Mattheis.

In anderen Themenfeldern wie Europa und bei einem Zuwanderungsgesetz würden die Parteien gute Fortschritte machen, hieß es aus Verhandlungskreisen. In der Steuerpolitik lehnt die Union die SPD-Forderung ab, den Spitzensteuersatz schrittweise von 42 auf 45 Prozent anzuheben, allerdings soll er nicht mehr schon bei knapp 55.000 Euro, sondern erst ab 60.000 Euro zu versteuerndem Einkommen greifen. Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Werner Bahlsen, warnte die SPD: „Wer den Spitzensteuersatz erhöhen will, belastet zudem Hunderttausende Familienunternehmer zusätzlich.“ Die SPD verliere die Bodenhaftung. Die Union dürfe nicht zu hohe Preise bezahlen. „Eine Minderheitsregierung ist gegenüber einer finanzpolitisch unsoliden GroKo für die deutsche Wirtschaft die bessere Option“, sagte Bahlsen dieser Redaktion.

Mahnende Worte erreichen die Sondierer auch aus dem Schloss Bellevue. „Alle Blicke richten sich auf die Parteien und ihre Spitzenvertreter“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Neujahrsempfang. „Alle fragen sich, wie es nun weitergehen kann und soll, und das völlig zu Recht.“ Eine erste Antwort wollen Union und SPD den Bürgern Donnerstagnacht geben.