Istanbul.

Der seit mehr als zehn Monaten ohne Anklage in der Türkei inhaftierte „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel hat sich selber als „Geisel“ bezeichnet. In einer schriftlichen Erklärung aus dem Gefängnis in Silivri, die seine Anwälte der dpa zukommen ließen, reagierte Yücel auf Aussagen des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu. Dieser hatte zum Fall Yücel gesagt, er sei „nicht sehr glücklich darüber, dass es noch immer keine Anklage gibt“.

Yücel teilte in seiner in einem ironischen Ton gehaltenen Replik mit: „Das hat mich sehr bekümmert. Schließlich möchte ich nicht, dass er meinetwegen unglücklich ist. Aber ich kann ihn trösten: Wenn ich mich daran gewöhnt habe, seit fast einem Jahr ohne Anklage als Geisel gehalten zu werden, dann schafft er das auch.“ Zur Aussage Cavusoglus, die Vorwürfe gegen ihn seien „sehr ernst“, meinte Yücel, es sei beruhigend, dass „wenigstens die türkische Regierung den genauen Durchblick“ habe. „Schließlich unterliegen die Ermittlungsakten weiterhin der Geheimhaltung, so dass meine Anwälte und ich immer noch nicht wissen, woran wir sind.“ Die Untersuchungshaft für Yücel hatte ein Gericht mit Vorwürfen der Terrorpropaganda und Volksverhetzung begründet. Cavusoglu hatte zudem gesagt, Yücel sei „seit 2015 nicht in der Türkei als Journalist akkreditiert“ gewesen und daher auch nicht wegen Journalismus inhaftiert worden.

Cavusoglu trifft an diesem Sonnabend Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) in dessen Heimatstadt Goslar. Wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin sagte, soll es dabei um die „ganze Bandbreite“ der Themen im deutsch-türkischen Verhältnis gehen, „nicht zuletzt auch um schwierige Themen“. Dabei verwies sie unter anderem auf den Fall Yücel. Im „Spiegel“ brachte Gabriel den Fall Yücel in Zusammenhang mit Rüstungsexporten. Die Bundesregierung habe eine sehr große Anzahl solcher Exporte nicht genehmigt, obwohl die Türkei Nato-Partner und Verbündeter im Kampf gegen die Terrormiliz IS sei. „Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist.“ Gleichzeitig sagte er, es könne nicht nur darum gehen, wie es deutschen Gefangenen in der Türkei gehe. Es gehe insgesamt um die Entwicklungen in der Türkei.