Seeon.

Vitali Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, gibt die Botschaft des Tages aus: „Ohne Kampf gibt es keinen Sieg“, sagt er am frühen Freitagmorgen vor der Kulisse des Klosters Seeon in Oberbayern. „Man muss kämpfen für seine Visionen.“ Das sei in der Politik allerdings härter als im Sport, befindet der ehemalige Boxweltmeister. Klitschko ist am Freitag zu Gast bei der traditionellen Winterklausur der CSU-Landesgruppe.

In der CSU können beim Thema Kampf so einige mitreden. Die Partei hat gerade einen ihrer zermürbendsten Machtkämpfe ihrer an Konflikten nicht armen Geschichte hinter sich. Die bisherige Nummer eins, der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, konnte sich nach der krachenden Niederlage der CSU bei der Bundestagswahl nicht in beiden Positionen halten. Sein Widersacher, der bayerische Finanzminister Markus Söder, mobilisierte seine Anhänger und zwang Seehofer zum Teilrückzug. Seehofer bleibt Parteichef, übergibt aber das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten irgendwann im Frühjahr an Söder. Das genaue Datum dieser Übergabe steht jedoch noch nicht fest. Seehofer will sich nicht festlegen. Söder muss warten. Ein letzter kleiner Triumph des Älteren.

Es sind schon sonderbare Tage in Seeon: Die Partei, die sich unbedingt geschlossen präsentieren will, ist zweigeteilt. In eine CSU, die in Berlin ernst genommen werden will und in die Bundesregierung strebt. Und in eine Regionalpartei, die eine harte Landtagswahl im Herbst bestreiten muss. Die Neuaufteilung der Macht zwischen Söder und Seehofer ist Ausdruck dieser Trennung.

Dobrindt hat die Abteilung Attacke übernommen

Auf der einen Seite der in Macht- und Ränkespielen erfahrene Seehofer, der in Berlin sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale wirft, um eine Regierung mit der SPD auszuhandeln und politische Kompromisse zu finden. Er wirbt in Seeon für das Gelingen der großen Koalition, entwirft Ideen einer sozialpolitischen Wende, die man gemeinsam mit der SPD umsetzen könnte. Als ausgemacht gilt, dass er ins Berliner Kabinett wechseln will. Zur Person Söder schweigt Seehofer überwiegend, was schon ein Erfolg an sich ist. Noch hält der Burgfrieden der beiden.

Auf der anderen Seite Söder, der das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und dann als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf ziehen soll. Söder ist zu der Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten gar nicht erst angereist. Er plant seinen großen Aufschlag zwei Wochen später im Kloster Banz vor den CSU-Landtagsabgeordneten. Dort will er sein Programm vorstellen, das auch moderate Töne enthält. Der Scharfmacher braucht einen Wandel hin zum Landesvater.

Die positive Nachricht der Machtteilung ist für jüngere Landtagsabgeordnete der Generationswechsel, der nun stattgefunden hat. „Es zeigt, dass es sich lohnt, beharrlich zu bleiben“, sagt einer, der noch viel vor hat in der CSU.

Außerdem hat die CSU einen gefunden, der die Abteilung Attacke nun erst mal alleine fährt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, zunächst in der Rolle des Gastgebers der Winterklausur, hat der Partei einen Rechtskurs verordnet. In einem Gastbeitrag für die „Welt“ fordert er eine bürgerlich-konservative Wende. „Wir brauchen den Aufbruch in eine neue, konservative Bürgerlichkeit, die unser Land zusammenführt, unsere Wertegemeinschaft stärkt und unsere Freiheit verteidigt“, schreibt er. Die Mehrheit der Menschen im Land lebe und denke bürgerlich. „Es gibt keine linke Republik und keine linke Mehrheit in Deutschland.“ Der 47 Jahre alte CSU-Politiker sieht den Grund für diesen von ihm beschriebenen Widerspruch in der 68er-Bewegung, deren Ideen als „geistige Verlängerung des Sozialismus“ bis heute Wirkung hätten. Es sind harte Worte kurz vor den entscheidenden Sondierungen mit den Sozialdemokraten. Auch in der Flüchtlingspolitik setzt die CSU weiter auf Härte: Die Obergrenze sowie eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll es geben.

Auch die Einladung an den Hauptgast in Seeon ist nicht unumstritten und weist in die rechts-konservative Richtung. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist einer der schärfsten Kritiker der Flüchtlingspolitik von
Angela Merkel (CDU). Ungarn lehnt Quoten innerhalb der EU bei der Flüchtlingsverteilung strikt ab. Darüber hinaus werfen ihm Kritiker nicht nur im eigenen Land vor, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit systematisch abzubauen.

Doch das hielt den Landesgruppenchef nicht davon ab, „Freund Viktor“ nach Seeon zu laden, gemeinsam mit Mitgliedern seines Kabinetts. Dobrindt sagt nach dem Besuch, man habe einen „intensiven Austausch“ gehabt. Man dürfe „den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen“. Teilnehmer des Gesprächs berichten, es habe von den Bundestagsabgeordneten kritische Fragen an den Ungarn gegeben, alles in allem sei man von dem Auftritt angetan gewesen.

Und Orbán bedankt sich auf seine Art: „Betrachten Sie mich nach wie vor als ihren Grenzschutzkapitän“, ruft er der CSU zu. Der Wille der europäischen Völker sei es, ohne Terrorgefahr zu leben und zu wissen, dass die Grenzen geschützt seien. Diesen Bitten komme er nach. 2018 sei das Jahr, in welchem der Volkswille wiederhergestellt werde, erklärt er. Wie er das genau meint, das kann in Seeon nicht geklärt werden. Fragen der Journalisten lässt der enge Freund Bayerns nicht zu.