Berlin.

Ein Tweet vom Silvesterabend hat der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, Beatrix von Storch, einen halben Tag Twitter-Sperre und Hunderte Anzeigen wegen Volksverhetzung eingebracht. Von Storch hatte am Sonntag einen Tweet der Kölner Polizei kommentiert, die Neujahrsgrüße in mehreren Sprachen veröffentlicht hatte, darunter Arabisch. „Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch“, schrieb die Berliner AfD-Abgeordnete. „Meinen Sie, die bar­barischen, muslimischen, gruppen-vergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“

Twitter sperrte ihren Account daraufhin für zwölf Stunden mit Verweis auf einen „Verstoß gegen Regeln über Hass-Inhalte“, der Tweet wurde gelöscht. Nachdem der Beitrag auf Twitter nicht mehr verfügbar war, postete von Storch eine Aufnahme davon auf ihrer Facebook-Seite mit der Ergänzung „Mal sehen, ob man das auf Facebook sagen darf“. Facebook sperrte den Beitrag mit Hinweis auf den Straftatbestand der Volksverhetzung. Auch ein Tweet der Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel, in dem sie von Storchs Sperrung als „Zensur“ wertete und von „importierten, marodierenden, grapschenden, prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs“ schrieb, konnte am Dienstag nicht mehr aufgerufen werden. Laut Twitter wurde der Tweet „aufgrund der Gesetze vor Ort“ zurückgehalten.

Bei der Kölner Staatsanwaltschaft gingen wegen von Storchs ursprünglicher Twitter-Nachricht mehrere Hundert Strafanzeigen wegen Volksverhetzung ein. Die Behörde habe den Fall übernommen, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn am Dienstag. Ob ein Anfangsverdacht vorliege, sei aber noch zu prüfen. Für ein mögliches Ermittlungsverfahren müsste zunächst durch den Bundestag von Storchs Immunität als Abgeordnete aufgehoben werden. Auch gegen Weidel sind Anzeigen bei der Polizei eingegangen.

AfD-Politiker werteten die Löschung der Beiträge sowie die vorübergehende Sperrung von Storchs Konto als „Zensur“. Alexander Gauland, Fraktionsvorsitzender im Bundestag und Bundessprecher der Partei, rief Nutzer von sozialen Netzwerken dazu auf, „die gelöschten Kommentare immer und immer wieder zu veröffentlichen“. Co-Bundessprecher Jörg Meuthen sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“, von Storchs Beitrag habe zwar eine „sehr kräftige Sprache“, sei aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Weidel und Gauland kritisierten zudem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das seit dem 1. Januar gilt. Das Gesetz verlangt von Diensten wie Facebook, Twitter oder Youtube, klar strafbare Inhalte binnen 24 Stunden nach einem Hinweis zu löschen. In weniger eindeutigen Fällen haben sie eine Woche Zeit. Den Betreibern der Netzwerke drohen empfindliche Geldstrafen. Ob von Storchs und Weidels Beiträge aufgrund des Gesetzes entfernt wurden, ist allerdings unklar. Die Onlinedienste machten zunächst keine konkreten Angaben zum Verfahren.

Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Berliner Humboldt-Universität, hält eine Verurteilung Beatrix von Storchs wegen Volksverhetzung aufgrund des Tweets für denkbar. „Normalerweise ist der Spielraum bei politischen Aussagen groß, weil im Meinungskampf vieles erlaubt sein muss, auch wenn es derb ist“, sagte Heger dieser Redaktion. „Aber hier wurde grundlos eine Grenze überschritten.“ In dem Tweet werde eine Gruppe von Menschen pauschal aufgrund ihrer Religion und Herkunft diffamiert. Der Beitrag könne „sicherlich zum Präzedenzfall werden“, sagte der Jurist.