Berlin.

Immerhin gab es Kuchen: Martin Schulz konnte seinen 62. Geburtstag am Mittwoch nicht zu Hause bei Familie und Freunden verbringen. Stattdessen war der SPD-Chef in Berlin, um mit den Spitzen von CDU und CSU über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen zu reden. Gemeinsam mit SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles traf Schulz sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer, Union-Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Sechserrunde legte fest, wann und unter welchen Bedingungen SPD und Union über eine Regierungsbildung reden wollen.

Mit welcher Taktik gehen die Parteien in die Sondierungsgespräche?

Die SPD betont, dass die Sondierungen „ergebnisoffen“ sind. Das heißt, dass es offiziell noch immer Alternativen zur großen Koalition gibt, bei denen die Sozialdemokraten mehr oder weniger aktiv an der Regierung beteiligt sind. Es würde dann bei jedem Gesetz wechselnde Mehrheiten geben. Das soll die Parteibasis beruhigen, bei der eine Groko höchst unbeliebt ist. Trotzdem gibt die Parteispitze als Ziel eine „stabile Regierung“ aus – was doch wieder nach einer Neuauflage der großen Koalition klingt. Offen ist, ob die SPD-Basis wirklich mitzieht. Die thüringische SPD stellte sich am Wochenende gegen eine neue Groko. Auch in NRW rumort es, und die Jusos haben ohnehin deutlich gesagt, dass sie eine mögliche Neuauflage dieser Koalition für einen Fehler halten.

Die Union dagegen hat klargemacht, dass das Ziel der Gespräche nur eine große Koalition sein kann. Annegret Kramp-Karrenbauer, saarländische CDU-Ministerpräsidentin, erklärte am Mittwoch, wenn die Verhandlungen zwischen den Parteien scheitern sollten, müsse man über Neuwahlen reden – „eventuell schon im Sommer“. Das will aber eigentlich keiner der Beteiligten.

Was sind die Forderungen?

Beide Seiten haben 13 Themenfelder vereinbart, darunter auch die „Arbeitsweise der Regierung und Fraktionen“. Ganz oben auf dem Wunschzettel der SPD steht eine Reform des Pflege- und Gesundheitswesens. Von der Bürgerversicherung, in die alle einzahlen würden und die private und gesetzliche Krankenversicherungen ersetzen soll, ist aber inzwischen seltener die Rede. Die Union hat schon angekündigt, dass sie da nicht mitmacht. Die SPD will deshalb nun vor allem durchsetzen, dass die Krankenkassen wieder hälftig von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden.

Die Union hat offiziell noch keine Ziele für die Gespräche festgelegt. Ähnlich wie bei der Bürgerversicherung hat sie Schwesterparteien aber signalisiert, dass sie keine Steuererhöhungen wollen. Auch die Lohnnebenkosten sollen 40 Prozent nicht überschreiten. Damit sind Reformen bei Pflege, Gesundheit und Rente Grenzen gesetzt. Auch der Themenkomplex Asyl und Migration wird eine zentrale Rolle spielen: CDU und CSU werden ihren mühsam errungenen Kompromiss zum Maßstab machen. Ob das Papier aus dem Oktober eins zu eins umgesetzt werden muss, damit eine Regierung zustande kommt, ist aber fraglich: Die Jamaika-Sondierungen haben gezeigt, dass selbst hier etwas Spielraum ist.

Wie ist das Verhältnis von Martin Schulz und Angela Merkel?

Merkel und Schulz kennen sich noch aus Zeiten, in denen der SPD-Chef Präsident des EU-Parlaments war und die Kanzlerin häufig in Brüssel, weil es die Euro-Krise zu bewältigen galt. Sie teilen ein Interesse an Geschichte und sind beide überzeugte Europäer. Unter den teils harten Attacken im Wahlkampf dürfte das Verhältnis aber gelitten haben: Schulz hatte Merkel vorgeworfen, die defensive Wahlkampfführung und die Vermeidung jeder Konflikte glichen einem „Anschlag auf die Demokratie“. Gleichzeitig verzweifelte der Rheinländer, der emotionaler auftritt als die Kanzlerin, zeitweise an deren moderierenden Art: In den Vorbereitungen auf das TV-Duell vor der Wahl reichte – so berichtet es der „Spiegel“ – schon ein gut vorbereitetes Merkel-Double, um ihn aus der Fassung zu bringen. Das sind schwierige Voraussetzungen für entspannte Gespräche.

Wie ist der Zeitplan?

Das Gespräch in der Sechserrunde am Mittwoch ist der letzte Termin zur Regierungsbildung vor Weihnachten. Im neuen Jahr soll es dann schnell gehen: Die Parteien wollen die Gespräche am 7. Januar nach der Klausurtagung der CSU im Kloster Seeon beginnen und bis zum 12. Januar fertig sein. Am 21. Januar soll dann ein SPD-Parteitag entscheiden, ob die Partei förmliche Koalitionsverhandlungen über den Vertragstext aufnimmt. Wenn die Delegierten Koalitionsgesprächen zustimmen, könne bis Ostern – also Anfang April – eine Regierung gebildet werden. Das sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, im ZDF.

Was macht der Bundespräsident?

Eine Minderheitsregierung, das hat Angela Merkel mehrmals deutlich gemacht, kommt für sie nicht infrage. Sollte es also keine Koalition geben, müssten die Bürger einen neuen Bundestag wählen. Den Weg dahin kann nur Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier frei machen, nur er kann den Bundestag auflösen. Steinmeier hat aber signalisiert, dass er eine Neuwahl für die schlechteste Lösung hält.