Paris. Frankreichs Präsident ist noch nicht mal ein Jahr im Amt und schon zum neuen starken Mann Europas avanciert

Wegen seines jugendlichen Tatendrangs wird Frankreichs Staatsoberhaupt Emmanuel Macron gerne mit US-Präsident John F. Kennedy verglichen. Bloß außereheliche Affären, die der Amerikaner sammelte wie andere Briefmarken, können dem mit seiner 24 Jahre älteren Frau Brigitte glücklich verheirateten Franzosen nicht nachgesagt werden. Das zärtlich-verrucht gesungene „Happy Birthday, Mister President“, mit dem Marilyn Monroe anlässlich des 45. Geburtstags „ihres“ Johns für Furore sorgte, ist unvergessen. Im Falle des 40. Geburtstags von Macron, der an diesem Donnerstag fällig ist, den er aber schon am Sonnabend im Loire-Prunkschloss Chambord vorfeierte, sickerte hingegen nicht einmal durch, ob ihm überhaupt ein Ständchen dargebracht wurde.

Kritik an dem präsidialen Fest im hochherrschaftlichen Rahmen regte sich trotzdem. „Sonnenkönig-Allüren“ wurden Macron von linken wie konservativen Politikern vorgeworfen. Dem Präsidenten nötigte das nicht einmal ein Achselzucken ab. Immerhin bequemte sich einer seiner Sprecher zu dem Hinweis, dass Emmanuel und Brigitte Macron die „Feier im engeren Familienkreis“ im Gegensatz zu den meisten ihrer Vorgänger aus eigener Tasche bezahlt hätten.

Der Vorfall ist ziemlich typisch. Macron lässt jede Polemik einfach an sich abperlen. Einen neuen Schwung für Frankreich und Europa versprach er den Franzosen im Wahlkampf. Leere Worte waren das keineswegs. Mit Sendungsbewusstsein, Charme und Chuzpe hat er Frankreich schon heute wieder zu einem „Global Player“ gemacht, der mit den USA und Russland auf Augenhöhe verkehrt und unverblümt nach der Führungsrolle in Europa greift.

Wenn dieser „Mann, der aus dem Nichts kam“, im Mai wegen seiner Verdienste um die Einigung Europas in Aachen den Karlspreis entgegennehmen darf, wird er gerade einmal ein Jahr in Amt und Würden sein. Das US-Magazin „Time“ gar rief ihn bereits im November zum „neuen Führer Europas“ aus. Aber Moment mal: Gibt es da nicht noch eine Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Es stimmt: Merkel hat in Europa ein Jahrzehnt lang so eindeutig den Ton angegeben, dass Macrons Vorgängern François Hollande und Nicolas Sarkozy nur der Part von Gefolgsleuten blieb. Doch die Rollen haben sich vertauscht. Während die Deutsche in Berlin um eine Regierungsbildung ringt, regiert und reformiert der Franzose in Paris durch. Widerstände? Gibt es so gut wie gar nicht – weder Opposition, Gewerkschaften oder Medien haben dem Präsidenten etwas entgegenzusetzen.

Macron, der mit vier bis fünf Stunden Schlaf auskommt und sich im Élysée-Palast gleich zwei Büros eingerichtet hat, ist ein Arbeitstier. Die „Neugründung“ Europas bleibt Macrons ambitioniertestes Anliegen. Noch vor den Europawahlen 2019 will er wichtige Reformen wie einen gemeinsamen Haushalt für die Eurozone, Milliardeninvestitionen in den strukturschwächsten Ländern, die Schaffung einer europäischen Interventionsarmee, Steuerharmonisierung sowie eine abgestimmte Flüchtlingspolitik durchsetzen. Dabei setzt er auf Unterstützung aus Berlin und ist offenbar felsenfest überzeugt, dass er sie auch bekommen wird.