Wien. Österreichs neue Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten will härter gegen illegale Migration vorgehen

„Seids angrennt?“ stand auf den Plakaten der Studierenden, die gegen die neue Regierung demonstrierten. Auf Hochdeutsch bedeutet die Frage so viel wie: „Seid ihr mit dem Kopf derart stark an etwas angestoßen, dass ihr nicht mehr klar denken könnt?“ Für diesen Montag, wenn die neue Koalition vereidigt wird, sind wieder sechs Demonstrationen angemeldet.

Doch trotzdem ist diesmal alles anders als im Jahr 2000, als die erste Koalition zwischen der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und den rechtspopulistischen Freiheitlichen (FPÖ) unterzeichnet wurde. Die ÖVP hat ihre Farbe von Schwarz auf Türkis gewechselt. Die EU-Staaten werden keine Sanktionen mehr erlassen. Und selbst der grüne Bundespräsident Alexander Van der Bellen segnete die neue Koalition unter dem künftigen Bundeskanzler Sebastian Kurz ab.

Deren Programm trägt deutliche rechtskonservative Züge. Die Themen Sicherheit, Familie und die Interessen der Wirtschaft sind stark verankert. Auch einige populistische Ideen wie die Stärkung der direkten Demokratie sind vorgesehen. Allerdings nicht so, wie die FPÖ das wollte. Für eine verpflichtende Volksabstimmung muss ein Volksbegehren 900.000 Unterschriften, und nicht nur die von der FPÖ gewünschten 250.000 Unterschriften, haben. Zudem hat die ÖVP durchgesetzt, dass nicht über die Mitgliedschaft in Internationalen Organisationen – auch nicht der EU – abgestimmt werden darf. Auch da musste die FPÖ nachgeben. Um eine proeuropäische Politik zu sichern, siedelte Kurz auch die EU-Zuständigkeit aus dem Außenministerium ins Kanzleramt über, macht sie also zur Chefsache.

Ein Schwerpunkt ist im Regierungsprogramm das Thema Steuersenkungen. Die Abgabenquote soll von 43,2 Prozent auf 40 Prozent gesenkt werden. Bis zum Ende der Regierungsperiode sollen 5,2 Milliarden Euro weniger an Steuern bezahlt werden. Ansonsten wird gespart. Wer dabei draufzahlen wird, ist bereits klar: Die Langzeitarbeitslosen und Flüchtlinge bekommen weniger Geld.

Schließlich sind sich ÖVP und FPÖ auch darin einig, dass die illegale Mi­gration auf null gesenkt werden soll und dass die finanziellen Anreize, nach Österreich zu kommen, weniger werden sollen.

Jörg Haiders Redenschreiber übernimmt Innenressort

Die FPÖ bekommt insgesamt sechs Ministerien. Für Aufsehen sorgte, dass sie den Innen-, Außen- und Verteidigungsminister stellt. Damit hat sie alle Geheimdienste, die Polizei und Soldaten unter ihrem Kommando. Das Innenressort übernimmt der bisherige FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Der war nicht nur Redenschreiber für Jörg Haider, sondern produzierte auch rassistische Sprüche in Wahlkämpfen wie „Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemand gut“, „Daham statt Islam“ und „Abendland in Christenhand“.

Sein Chef, der Vizekanzler und FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache, wird im Kabinett auch für Sport und Beamte zuständig sein. Er sorgte kurz vor dem Abschluss des Regierungsprogramms noch dafür, dass Österreich weiterhin der „Aschenbecher der EU“ bleiben wird, wie man in Wien witzelt. Die FPÖ forderte in Anbiederung an ihre Stammtisch-Wähler nämlich, dass das geplante Rauchverbot in Gaststätten kommendes Jahr doch nicht in Kraft treten soll. Strache umschrieb das Regierungsprogramm so: „Wir wollen viele kleine Schritte in die richtige Richtung gehen.“

Ähnlich bekannt wie Strache ist der frühere FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer, der Infrastrukturminister wird. Er hat wegen seiner Popularität in Österreich auch viel Macht in der Partei, seiner Gesinnung nach steht er weit rechts. Auch der neue Verteidigungsminister Mario Kunasek ist einschlägig bekannt. Er sprach etwa im Zusammenhang mit Migranten von „Kriminaltouristen“ und „Asylschwindlern“.

Auf einem FPÖ-Ticket gelangt die parteilose Nahostexpertin und Energieanalystin Karin Kneissl ins Außenministerium. Sie kritisierte während der Flüchtlingskrise Angela Merkels Handyfotos mit Flüchtlingen. Das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei bezeichnete sie als „Unfug“.

Kurz ist der einzige ÖVP-Mann mit Regierungserfahrung

Das Justizministerium bleibt – auch auf Wunsch des Staatschefs – ohnehin bei der ÖVP. Das Ressort übernimmt der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser, der wie der neue Bildungsminister, der Universitätsprofessor und Migrationsexperte Heinz Faßmann, als erfahren gilt. Der neue Finanzminister Hartwig Löger ist allerdings kaum bekannt, erhält aber eines der wichtigsten Ressorts. Überhaupt hat Kurz einige parteilose Quereinsteiger und Experten hereingeholt – er selbst wird jedenfalls der einzige ÖVP-Mann mit Regierungserfahrung in der neuen Koalition sein. Insgesamt hat die Regierung 16 Mitglieder. Kanzleramtsminister wird der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, ein Vertrauensmann von Kurz. Kurz selbst wird der jüngste Regierungschef in der EU und der zweite ÖVP-Kanzler seit 1970.