Tunis/Berlin.

Vor zweieinhalb Jahren, bei seinem ersten Besuch in Kairo, verriet nur ein kurzes, verächtliches Zucken in den Mundwinkeln, was Wladimir Putin wirklich dachte. Neben ihm auf der Ehrentribüne stand mit versteinerter Miene Gastgeber und Ex-Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, während das ägyptische Militärorchester bei dem Versuch, die russische Nationalhymne zu spielen, in ohrenbetäubendem Gequake versank. Umso mehr werden sich Sisi und seine Getreuen mühen, den richtigen Ton zu treffen, wenn der Kremlherrscher an diesem Montag zum zweiten Mal am Nil erscheint.

Denn inzwischen ist der russische Präsident nicht nur in Kairo, sondern auch andernorts in Nahost ein gefragter Mann. Er hat eifrig Kontakte geknüpft, während sich die USA unter Präsident Donald Trump immer mehr ins Abseits manövrierten. In Syrien steht Putin an der Seite von Präsident Baschar al-Assad, unterhält trotzdem enge Beziehungen zu Israels Premier Benjamin Netanjahu und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, mit dem er in Sotschi einen Syriengipfel plant.

Auf dem Weg von Moskau nach Kairo macht Putin am Montag eigens einen Kurzstopp in Ankara, weil ihn Erdogan wegen des Jerusalem-Konflikts darum gebeten hatte. Schon beim Versuch, für den Syrienkonflikt diplomatische Lösungen zu finden, hat er eng mit der Türkei und dem Iran kooperiert. Alle drei Staaten haben das Format der Syrienkonferenz in der kasachischen Hauptstadt Astana entwickelt. In Syrien kämpfen die Regierungstruppen mit russischer Luftunterstützung und türkischen Kräften gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die Dschihadisten hatten 2014 ein Kalifat ausgerufen und weite Teile Syriens und des Iraks unter ihre Kontrolle gebracht. Der irakische Präsident Haider al-Abadi erklärte, sein Land sei nun vom IS „vollständig befreit“. Allerdings: „Trotz der Verkündung des endgültigen Siegs müssen wir wachsam bleiben und vorbereitet sein auf jeden terroristischen Anschlagsversuch auf unser Land, denn der Terrorismus ist ein ewiger Feind.“

Das Atomkraftwerk soll 26 Milliarden Euro kosten

Russlands neues Gewicht im Nahen Osten reicht jedoch weit über Syrien hinaus. Im Oktober reiste der 81-jährige König Salman als erster Monarch Saudi-Arabiens nach Moskau, obwohl Riad als engster Verbündeter der USA die russische Expansion in der Region mit Argwohn verfolgt, nicht zuletzt in Ägypten.

Dessen Führung setzt vor allem auf eine engere militärische Zusammenarbeit mit der östlichen Großmacht, um den amerikanischen Einfluss zu kontern. Zudem will Kairo endlich grünes Licht für die Rückkehr der russischen Pauschaltouristen zum Roten Meer, die vor dem Terrorabsturz der Metrojet-Chartermaschine im Oktober 2015 das größte Kontingent ausländischer Feriengäste waren. Doch Putins Preis für das Ende der Reisesperre ist hoch. Zum einen verlangt er Ägyptens Unterschrift unter den Auftrag für einen Atomreaktor am Mittelmeer durch den russischen Energie-Giganten Rosatom, die am Montag endlich erfolgen soll. Der geplante Meiler in Al-Dabaa westlich von Alexandria zählt neben der bereits im Bau befindlichen Al-Barakah-Anlage der Vereinigten Arabischen Emirate zu den ersten kommerziellen Kernkraftwerken in Arabien. Saudi-Arabien und Jordanien hegen ebenfalls Atompläne, während Kuwait, Oman und Katar nach der Katastrophe von Fukushima absprangen.

Die Kosten für Al-Dabaa, dessen vier Reaktoren zusammen 4800 Megawatt Strom liefern sollen, belaufen sich auf 26 Milliarden Euro, die zu 85 Prozent von Russland finanziert werden. Die Bauzeit ist auf zwölf Jahre veranschlagt, vom
13. Jahr an muss Ägypten 20 Jahre lang den Kredit aus Einnahmen seines neuen Stromgiganten zurückzahlen. Siemens dagegen baut zusammen mit dem einheimischen Orascom-Konzern gegenwärtig in Ägypten drei Gaskraftwerke für je 4800 Megawatt, die pro Stück nur rund drei Milliarden Euro kosten.

Zum anderen will Putin mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi eine fertig ausgehandelte Militärvereinbarung in Kraft setzen, die erstmals seit 1973 wieder ägyptische Fliegerhorste für russische Kampfflugzeuge öffnet. Der Vertrag würde Moskau eine bewaffnete Präsenz am Nil erlauben, wie es sie seit dem Ende der Zusammenarbeit unter Präsident Anwar al-Sadat vor mehr als vier Jahrzehnten nicht mehr gab.

Trump wird sich die Sache genau anschauen, denn immerhin erhält Ägypten pro Jahr rund 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe von Amerika. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu lobte die ägyptische Seite schon mal in den höchsten Tönen. Er pries „die positive Dynamik in der militärisch-technischen Zusammenarbeit“. Man werde den Terrorismus künftig gemeinsam bekämpfen.