Athen/Ankara. Erste Reise eines türkischen Staatsoberhaupts nach Griechenland seit 1952

Recep Tayyip Erdogan kommt am Donnerstag nach Athen – zum ersten Besuch eines türkischen Staatsoberhauptes in Griechenland seit 1952. Dass seit dem letzten Staatsbesuch 65 Jahre vergingen, zeigt: Die Beziehungen der beiden Nachbarländer sind von Normalität immer noch weit entfernt. 1996 gerieten die beiden Nato-Partner im Streit über zwei unbewohnte Ägäis-Inseln sogar an den Rand eines Krieges.

Seither haben sich die Beziehungen deutlich verbessert. Diplomaten und Ministerialbeamte beider Länder kommen regelmäßig zu Konsultationen zusammen. Auch der griechische Premier Alexis Tsipras hat sich mit Erdogan bereits mehrfach getroffen.

Die bilateralen Probleme, wie der Streit um die Wirtschaftszonen und Hoheitsrechte in der Ägäis sowie die militärischen Kontrollbefugnisse im ägäischen Luftraum, bleiben aber ungelöst. Auch im Konflikt um Zypern, das seit der türkischen Invasion von 1974 geteilt ist, zeichnet sich kein Kompromiss ab. Mit dem türkischen Putschversuch vom Juli 2016 ist neuer Konfliktstoff hinzugekommen. Rund 1000 Türken sind aus Angst vor Erdogan bereits nach Griechenland geflohen. Erdogan fordert die Auslieferung der angeblichen „Putschisten“. Athen verweist auf die Asylentscheidungen der unabhängigen griechischen Justiz.

Die Bedeutung des Besuchs geht aber weit über das Bilaterale hinaus. Politische Beobachter glauben, dass Erdogan mit dieser Reise versuchen will, neue Brücken zur Europäischen Union zu bauen, um aus der internationalen Isolation herauszukommen. Insofern ist der Athenbesuch auch eine Antwort auf die neue deutsche Türkeipolitik. Dass Erdogan mit seinem diplomatischen Brückenbau an der Akropolis beginnt, ist kein Zufall: Griechenland ist seit jeher einer der engagiertesten Befürworter eines türkischen EU-Beitritts. Dahinter steht die Hoffnung, den übermächtigen und mitunter aggressiv auftretenden Nachbarn mit der Einbindung in die EU zu zähmen.

Auch Erdogan dürfte bei aller offensichtlichen Abneigung gegenüber Europa inzwischen eingesehen haben, dass er sich schon aus wirtschaftlichen Gründen keinen völligen Bruch mit der EU leisten kann, sondern Kommunikationskanäle öffnen muss. Tsipras kann dabei für den türkischen Präsidenten ein wichtiger Mittler sein.