Vatikanstadt.

20 Auslandsreisen hat Papst Franziskus hinter sich. Die vielleicht schwierigste hat er jetzt angetreten. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche besucht Myanmar und Bangladesch. „Ein Abenteuer“ nennt Papstsprecher Greg Burke die Tour. Tatsächlich betritt Franziskus ein politisches Minenfeld. Das Drama um die verfolgte muslimische Minderheit der Rohingya, von den Vereinten Nationen als „Völkermord“ gegeißelt, lastet schwer auf dem Besuch, der an diesem Montag in Myanmar beginnt und am 2. Dezember in Bangladesch endet. Was die Chancen einer Konfliktlösung angeht, ist es eine „Mission impossible“ – zumindest auf dem Papier. Die Frage ist nun, was Franziskus daraus macht.

Er ist der erste Papst überhaupt, der ins mehrheitlich buddhistische Myanmar reist. Nur ein Prozent der rund 52 Millionen Bewohner dort sind Katholiken. „Für uns ist es ein historischer Moment“, sagt Charles Bo, der einzige Kardinal des Landes. Doch der Zeitpunkt könnte kritischer kaum sein. Myanmars Militär hatte Ende August eine „Räumungsoperation“ gestartet, nachdem eine Rohingya-Miliz Posten der Sicherheitskräfte angriffen hatte. Geschätzte 620.000 Rohingya flohen aus Myanmar ins muslimische Nachbarland Bangladesch, wo die meisten unter furchtbaren Bedingungen in überfüllten Lagern leben. Geflüchtete Rohingya berichten von niedergebrannten Dörfern, Exekutionen, Morden an Kindern und Vergewaltigungen. Die Vereinten Nationen sehen darin ein „Paradebeispiel für ethnische Säuberung“.

Zwar vereinbarten beide Länder am Donnerstag, dass die Flüchtlinge aus Bangladesch nach Myanmar zurückkehren sollen. Unklar bleibt aber, was passiert, wenn die Rohingya nicht dorthin zurückwollen, woher sie gerade erst vor Gewalt geflohen sind. Die Reise des Papstes war lange vor der Zuspitzung des Konflikts geplant. Myanmar ist eines der letzten Länder weltweit, das noch keine diplomatische Verbindung mit dem Vatikan pflegt. Die Regierung in Naypyidaw hoffte ursprünglich auf eine internationale Aufwertung durch den Segen des Papstes. Daraus wird jetzt nichts mehr.

Myanmar erkennt die Rohingya als Staatsbürger nicht an, sie sind staatenlos, der Willkür und Gewalt des Militärs ausgesetzt – das sind genau jene Menschen, für die der Papst da sein will, die seine Kirche schützt. Franziskus betonte immer wieder, dass er seine Aufgabe darin sieht, an die Peripherie zu reisen. Die Kirche sei ein „Feldlazarett“, sie müsse sich um die kümmern, die das schlimmste Leid erleben. So gesehen, wirkt die frühzeitige Planung der Reise in die damals noch friedliche Region wie eine prophetische Vorahnung des Bösen. „Der Trip hätte sowieso stattgefunden, aber dies zieht natürlich die Aufmerksamkeit auf sich“, sagt Vatikansprecher Burke. In Bangladesch erwartet man nun von Franziskus klare Worte zur Krise.

Doch die Frage ist, ob und – wenn ja – wie genau er sich äußern wird. Hält er sich an den Rat der katholischen Kirche vor Ort, das Wort „Rohingya“ besser nicht zu benutzen? Myanmar betrachtet die Rohingya als illegale Einwanderer, bezeichnet sie als „Bengalen“ – und suggeriert damit, sie stammten aus Bangladesch. „Es ist kein verbotenes Wort“, sagte Papstsprecher Burke. Man müsse nun abwarten, was Franziskus letztendlich sagen werde.

Das Protokoll lässt wenig Raum für offene Worte. Die übliche Ansprache des Papstes bei der Ankunft wurde gestrichen. Auch im Präsidentenpalast am nächsten Tag sowie bei den Treffen mit der Außenministerin wird es ungewöhnlicherweise keine Reden geben. Der Papst soll schweigen. Erst am Dienstag um 17.15 Uhr Ortszeit darf Franziskus vor dem Diplomatischen Korps des Landes sprechen, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Eine Fernsehübertragung ist nicht vorgesehen.

Doch Franziskus ist bekannt für offene Worte. Schon mit der Türkei hat er sich angelegt, als er das Massaker an Armeniern einen „Völkermord“ nannte – ein politischer Eklat, provoziert aus innerer Überzeugung. Und schon im August beklagte Franziskus die Verfolgung „unserer Rohingya-Brüder und -Schwestern“. Doch was kann ein Katholiken-Oberhaupt in einem mehrheitlich buddhistischen Land ausrichten, in dem Katholiken eine kleine Minderheit sind? Der Papst elektrisiert in Myanmar sicher nicht die Massen.

Im Vatikan versucht man deshalb, die Erwartungen in Sachen Rohingya zu dämpfen. Nicht der ganze Besuch soll von der Krise überschattet werden. „Aus meiner Sicht wäre es sehr unglücklich für Myanmar, wenn die Aufmerksamkeit nur auf dem Rohingya-Konflikt liegt. Denn von dem Besuch des Heiligen Vaters sollten alle profitieren“, sagt Mariano Soe Naing von der katholischen Bischofskonferenz in Myanmar.

In Bangladesch sieht man das anders. Nach Ansicht der Bischofskonferenz des Landes wollen die Katholiken dort, dass Franziskus anspricht, was den Rohingya widerfährt. Papstbesuche sind auch in Bangladesch nicht Alltag, wo laut Vatikan nur 375.000 Menschen der rund 160 Millionen Einwohner Katholiken sind. Bisher war nur Papst Johannes Paul II. in dem Land, aus dem viele Menschen vor der Armut flüchten.

Manch einer fragt sich, warum Franziskus keines der Rohingya-Flüchtlingslager besuchen wird, zumindest nicht laut offiziellem Programm. Lediglich bei einem interreligiösen Treffen in der Hauptstadt Dhaka sollen auch Rohingya-Angehörige dabei sein. Doch bei Franziskus weiß man nie. „Ich hoffe, er wird uns überraschen und entscheidet sich zu kommen“, sagt Regina Catrambone von der Hilfsorganisation MOAS, die auch in einem Lager aktiv ist. „Er ist ein Papst, der Überraschungen mag.“ Im Vatikan-Gefolge ist man sicher, dass Franziskus das Protokoll austricksen wird, um auf das Rohingya-Drama hinzuweisen. Angst hat er jedenfalls nicht. Sein Auto in Myanmar wird nicht gepanzert sein.