Es ist vorbei. Die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen sind gescheitert, die beteiligten Parteien haben es nicht geschafft, echte Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Die inhaltlichen und vor allem menschlichen Differenzen waren einfach zu groß.

Man kann argumentieren, dass es in einer Demokratie in Ordnung ist, dass politische Grundüberzeugungen nach – zugegebenermaßen: langem – Ringen nicht zusammenkommen. Doch Deutschland im Jahr 2017 ist ein gesellschaftlich tief gespaltenes Land. Mit der AfD hat es eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag geschafft, die Volkspartei SPD hat sich zerlegt und sich jeglicher Bereitschaft zum Regieren verweigert. Und wenn dann die Demokraten, die das Heft des Handelns in der Hand haben, sich als konsensunfähig erweisen und neue Wege nicht betreten wollen, dann ist das ein Armutszeugnis.

Am Ende scheiterte es am Faktor Mensch. Es gab zu viele Durchstechereien, Interviews, Eitelkeiten – nicht bei den Chefunterhändlern, aber in der zweiten Reihe: Jürgen Trittin von den Grünen und Alexander Dobrindt von der CSU etwa haben mit krawalligen Bemerkungen während der Sondierungen immer wieder dafür gesorgt, dass die Atmosphäre getrübt und die Spannungen größer wurden.

Doch die große Verliererin des Abbruchs in der vergangenen Nacht heißt Angela Merkel. Mit der Mischung aus guter Zuhörerin und knallharter Verhandlerin hat die Kanzlerin es bisher immer geschafft, sich durchzusetzen. Es gelang ihr auf nationaler und auf internationaler Bühne. Das hat sie stets ausgezeichnet, das war ihr persönliches Plus. Weltweit genießt sie deshalb hohes Ansehen, hat oft einen Vertrauensvorschuss. Der ist nun verbraucht.

Als Regierungschefin von Europas wichtigster Volkswirtschaft kann sie sich und dem Land eine Minderheitsregierung nicht zumuten. Aber kann sie noch als Spitzenkandidatin für die Union in Neuwahlen gehen? Unwahrscheinlich.

Am Ende hat die FDP die Gespräche blockiert, sie hat das Zaudern der Grünen ausgenutzt. Die Liberalen haben sich in der Migrationsfrage noch rechts von der CSU positioniert – und damit die Grünen so unter Zugzwang gesetzt, dass diese am Ende ablehnten, und das trotz intensiver Bearbeitung durch Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. Doch die Frage des Flüchtlingsnachzugs, die symbolisch für das Umgehen mit der Migration nach Deutschland steht, wird von den vier Parteien zu unterschiedlich bewertet: Lassen wir Menschen noch mit offenen Armen in unser Land oder nicht?

Die bürgerlichen Parteien CDU, CSU und FDP lehnen dies ab. Die Grünen konnten diese Frage so für sich nicht bejahen. Die Flüchtlingskrise 2015 hat bis zum heutigen Tag Nachwirkungen. Sie hat die politische Kultur im Land verändert. Dass die Flüchtlingskanzlerin Merkel mit ihrer Regierungsbildung daran scheitert, dass eine Partei Angehörige von Flüchtlingen ins Land lassen will, ist paradox.

Nun liegt es an der SPD, Neuwahlen abzuwenden. Die Partei von Martin Schulz hat die Wahl krachend verloren, sich für den Gang in die Opposition entschieden. Doch angesichts des Scheiterns von Jamaika könnten die Sozialdemokraten nun Verantwortung übernehmen und den Versuch unternehmen, die Große Koalition fortzusetzen. Denn Neuwahlen würden ein ähnliches Ergebnis ergeben wie der 24. September, wahrscheinlich mit einer erstarkten AfD. Daran kann auch die SPD kein Interesse haben.

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