Johannesburg.

Bilder aus dem simbabwischen Frühling. Zigtausende Menschen sind auf die Straßen der Hauptstadt Harare geströmt, sie lachen, schreien und singen. Sie feiern den Sturz des 93-jährigen Alleinherrschers Robert Mugabe. Viele von ihnen haben kleine Flaggen in der Hand. Autofahrer drehen quietschend Kreise und hupen. Auf den Dächern von Reisebussen tanzen junge Männer, und auf den Gehsteigen fallen sich wildfremde Menschen um den Hals. „Das sind Freudentränen“, schluchzt der 34-jährige Frank Mutsindikwa: „Darauf habe ich mein gesamtes Leben gewartet. Wir sind frei, endlich frei!“

Am Sonntag hat das letzte Kapitel der 37-jährigen Ära Mugabes begonnen. Die Regierungspartei Zanu PF wählte den 93-jährigen Mugabe als Vorsitzenden ab. Zum neuen Chef wurde der von Mugabe geschasste Stellvertreter Emmerson Mnangagwa bestimmt. Das Militär hatte auf die Absetzung Mnangagwas am Mittwoch mit der Machtübernahme reagiert und Mugabe unter Hausarrest gestellt. Mugabes Frau Grace, die seine Nachfolgerin werden sollte, wurde aus der Partei ausgeschlossen und soll wie andere Gefolgsleute Mugabes vor Gericht gestellt werden. Die Partei stellte Mugabe zudem ein Ultimatum: Bis zum heutigen Montag um 12 Uhr müsse er auch als Präsident Simbabwes abtreten, andernfalls werde ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Die Veteranengruppe in der Partei fordert ihn auf, das Land zu verlassen, solange er das noch könne. In einer Fernsehansprache am Sonntagabend räumte Mugabe zwar Probleme in dem verarmten Land ein, verzichtete aber – anders als von vielen erwartet – darauf, seinen Rücktritt zu erklären.

Am Sonntagmittag standen Schützenpanzer der Armee auf den Straßen: Aber deren Besatzungen lächelten und winkten, ein Soldat rauchte eine Zigarette, die ihm von einem Demonstranten zugesteckt wurde. „Unsere Armee ist die Stimme des Volkes“, steht auf dem Schild eines Jubelnden.

Mugabe sitzt in seiner Villa in einem Luxusviertel

Genau genommen waren es die Militärs, die das größte Straßenfest der Simbabwer seit der Unabhängigkeitsfeier vor 37 Jahren initiiert hatten: Deren loyale Veteranen-Organisation hatte zum Volksaufmarsch aufgerufen, um dem altersstarrsinnigen Mugabe vor Augen zu halten, welches Ansehen eher unter der Bevölkerung tatsächlich genießt – und was ihm droht, wenn er bei seiner Rücktrittsverweigerung bleibt. Von Soldaten bewacht sitzt der Noch-Staatschef in seiner Villa in Harares Luxusviertel Borrowdale: Zur einzigen angespannten Situation während der Freudenfeier kam es, als ihm einige Hundert Feiernde einen Besuch abstatten wollten. Sie ließen sich von den Soldaten eines Besseren belehren.

Auf dem „Simbabwe-Gelände“ am Rand Harares, wo Mugabe 1980 seine Unabhängigkeitsrede hielt, versammeln sich bereits am Sonnabend Tausende von Menschen, um den Rücktritt Mugabes zu fordern. Als General Sibusiso Moyo auftritt, meinen sie, die erlösende Botschaft vom Abtritt Mugabes zu hören. Der Offizier hatte die Simbabwer bereits Mittwochfrüh im Staatsfernsehen vom Putsch, der aber nicht so genannt wurde, in Kenntnis gesetzt. Moyo muss die Menschenmenge allerdings vertrösten: Der Autokrat habe noch immer nicht begriffen, dass seine Stunde gekommen sei.

Südafrikanischen Presseberichten zufolge wurde Mugabes Sturz bereits seit Monaten vorbereitet: Armeechef Constantino Chiwengas größtes Problem war, jüngere Kollegen von einem vorschnellen Coup abzuhalten. Die ungeduldigen Offiziere wollten Mugabe schon im August bei dessen Rückkehr von einem Gesundheitscheck in Singapur am Flughafen in Gewahrsam nehmen. Das wäre dann ein regelrechter Putsch gewesen – einen Eindruck, den Drahtzieher Emmerson Mnangagwa unbedingt verhindern wollte. Denn in diesem Fall hätte das Ausland den früheren Vizepräsidenten nicht als Nachfolger Mugabes anerkennen können. Mnangagwas Pläne sind raffinierter. Das „Krokodil“, wie der langjährige Vertraute Mugabes im Volksmund halb schmeichelhaft, halb ängstlich genannt wird, will den Staatschef auf politische Weise ausmanövrieren, indem er ihn erst als Partei- und dann als Staatschef absetzen lässt. Die erste Hürde ist nun genommen.

Sollte Mugabe nun nicht selbst als Präsident zurücktreten, muss das Parlament zusammenkommen, um ihn abzusetzen: Das soll bereits am Dienstag geschehen. Weil auch die Opposition hinter dem Vorstoß steht, ist die nötige Zweidrittelmehrheit sicher. Dann ist Robert Mugabe Rentner – ohne dass die Verfassung verletzt werden musste. Die Nachfolge kann dann Emmerson Mnangagwa antreten: Ihn halten viele allerdings für genauso undemokratisch und korrupt wie seinen Vorgänger. Soweit wollen die Simbabwer jedoch derzeit nicht denken. Jetzt müsse erst einmal gefeiert werden, sagt der 38-jährige Sam Sechete, der am Tag des Amtsantritts Mugabes ein Jahr alt war: „Das ist der schönste Tag meines Lebens.“