Es hat geklappt. Auf den letzten Metern haben die Jamaika-Sondierer am Sonntagabend eine Lösung gefunden. Nach vierwöchigen zähen, teilweise aussichtslosen Gesprächen hat auf den letzten Metern der politische Verstand über das politische Herz gesiegt. Gut so. Das Land braucht eine funktions­fähige Regierung und keinen monatelangen Hängezustand. Man will nichts mehr hören von „Schmerz- und Obergrenzen“, „Seelenlagen“, „dicken Brocken“ und „Chefrunden“. Dass sich auf den letzten Metern alle bewegt haben, ist ein Sieg von Demokraten.

Angela Merkel und Horst Seehofer haben auch über ihr politisches Schicksal verhandelt. Merkel kann nun voraussichtlich eine vierte Legislatur regieren – die Zustimmung der Parteigremien und der -basis der vier Parteien vorausgesetzt. Die Wachablösung in ihrer Partei ist verschoben, es hätte sich zum jetzigen Zeitpunkt auch noch niemand wirklich aufgedrängt.

Merkel muss die schwierigen Verhandlungen allerdings ernst und als Warnsignal nehmen; es ist an ihr, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger mit aufzubauen. Das ist sie ihrer Partei schuldig, die sich in den schwierigen Sondierungen mit Kritik an ihrer Vorsitzenden deutlich zurückgehalten hat. Es war ein letzter Vertrauensbeweis.

Bei einer anderen Partei lief das weniger gut. Die CSU ist dabei, sich selbst zu zerlegen. CSU-Chef Horst Seehofer hat mit dem Papier vom Sonntag wertvolle Zeit gewonnen im zunehmend härter ausgetragenen innerparteilichen Machtkampf. Eigentlich hätte er schon am vergangenen Sonnabend in München die Entscheidung seiner Selbstsondierung mitteilen sollen. Aber auch er braucht eine Idee, wie es mit ihm in seiner Partei weitergeht. Nun kann er zumindest mit einem Ergebnis nach München zurückkehren – und im Machtkampf mit dem bayerischen Finanzminister Markus Söder noch etwas mitmischen.

FDP Chef Christian Lindner kann für sich in Anspruch nehmen, seine Partei zurück in den Bundestag geführt und Kernanliegen der Liberalen klug verhandelt zu haben. Das Trauma seiner Partei, von Merkel das letzte Mal über den Tisch gezogen worden zu sein, wirkte in den Sondierungen stark nach. Es wirkte, als habe die FDP die meisten Bauchschmerzen bei Jamaika gehabt.

Auch die Grünen haben sich bewegt – unter Schmerzen, aber dennoch. Die Hauptverhandler haben es geschafft, die Ideale der Partei nicht zu verraten und dennoch Kompromisse zu finden, besonders in der Migrationsfrage. Bleibt zu hoffen, dass auch der linke Flügel der Partei begreift, dass man in der Opposition zwar träumen, aber nicht gestalten kann. Eine grüne Beteiligung an einer Regierung ist in Zeiten, da die Auswirkungen des Klimawandels spürbar sind, gut.

Doch die Einigung vom Sonntag ist nur der Anfang. Jetzt heißt es auf allen Seiten, die Nerven zu bewahren, mögliche Gegenargumente der Parteibasis ernst zu nehmen, einen Koalitionsvertrag und mögliche Ministerien sinnvoll auszuhandeln.

Für Deutschland wäre eine Jamaika-Koalition ein Aufbruch: Es wäre der Versuch, unterschiedliche politische Lager zusammenzuführen – zum Wohle des Landes. Im Bundestag könnte die Jamaika-Koalition der AfD eine große Mehrheit entgegensetzen. Es wäre eine Mehrheit, die zwar unterschiedliche Positionen vertritt. Die aber all jene eint, die an dieses Land, seine politische Ordnung und die Demokratie glauben. Die Jamaika-Partner wollten am Sonntag noch zusammen einen Wein trinken. Er sei ihnen gegönnt.

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