Berlin.

Das letzte Wort lässt sich Horst Seehofer selbst in diesen Tagen nicht nehmen. Auch wenn die CSU in chaotischer Weise darum ringt, mit welchem Personal sie künftig in Bayern und im Bund regiert: Einfach kommen Seehofers Parteifeinde nicht an ihm vorbei.

Diese Woche wird für das politische Schicksal des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs entscheidend sein. An deren Ende will er sich zu seiner persönlichen Zukunft äußern. Die Partei muss also auf ihn warten. Noch haben die Ereignisse den Machtmenschen Seehofer nicht vollständig überrollt.

Der CSU-Chef steht seit der Bundestagswahl im September unter enormem Druck. Das Wahlergebnis von 38,8 Prozent in Bayern, ein Minus von 10,5 Prozentpunkten, war ein Debakel für die CSU, die an absolute Mehrheiten im Freistaat gewöhnt ist und im Herbst 2018 eine Landtagswahl zu bestreiten hat. Seehofers mächtiger Rivale, der bayerische Finanzminister Markus Söder, steht bereit, seine Nachfolge anzutreten. Und hat dabei eine große Unterstützung in der Partei.

In Berlin verhandelt Seehofer an der Seite von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen. Spätestens Freitagfrüh sollen die inhaltlichen Eckpfeiler für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen stehen. Am Sonnabend kommt es dann zum Showdown in München.

Seehofer wird sich zuerst mit den Landtagsabgeordneten treffen, danach kommt der CSU-Vorstand zusammen und wartet auf das Ergebnis der persönlichen Selbst-Sondierung des Vorsitzenden. Stellt er sich beim Nürnberger Parteitag im Dezember der Wiederwahl als CSU-Chef? Tritt er als Ministerpräsident zurück? Oder kämpft er, der sich selbst durchaus als die Verkörperung des bayerischen Löwen begreift, um seine Ämter?

Auch Seehofer dürfte sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Die mögliche Antwort: Der politische Hasardeur hat sich schlicht verzockt. Seit dem 24. September wuchs die innerparteiliche Kritik stetig, wurde laut, dann unaufhaltsam. „Die Leidenschaft hat mich keinen Tag losgelassen“, begründete Seehofer Ende April seine Motivation, noch einmal als Parteichef und Ministerpräsident antreten zu wollen. Trotz seiner Gesundheit, die ihn manchmal im Stich lässt. „Ich will, weil ich mit vollem Herzen meine beiden Ämter noch ausübe“, sagte er damals. Dass er 2013 seinen Rückzug für 2018 selbst angekündigt hat? Eine Randnotiz, „die nicht zu den klügsten Aussagen meiner politischen Karriere gehört“. Damals haben alle gelacht.

Seehofer hat in seiner neunjährigen Regierungszeit Höhenflüge und krachende Niederlagen erlebt: Die Rückeroberung der absoluten Mehrheit in Bayern 2013 war sein größter Triumph. Die Bundestagswahl war der Tiefpunkt. Die politischen Berliner Erfolge in dieser Zeit – vom Betreuungsgeld über die Mütterrente bis zur Pkw-Maut – gehören zu seiner Erfolgsbilanz. Doch der Streit mit der CDU um die konkrete Obergrenze für Flüchtlinge, den er angezettelt und vor der Wahl nicht aufgelöst hat, war offenbar ein Fehler. Nicht die Forderung nach einer Begrenzung des Zuzugs, da sind sich alle Lager in der CSU einig. Wohl aber die Scheineinigung mit Merkel im Wahlkampf. „Der Horst, der braucht das Chaos. Wenn es tobt und wogt, dann wird er innerlich ruhig. Diesmal ist es allerdings unheimlich ruhig“, sagt einer in Berlin, der ihm nahesteht.

Körperlich passt das Bild vom Fels in der Brandung zum hünenhaften Ingolstädter. Es passt auch dann, wenn der 68-Jährige selbst politisches Chaos stiftet, etwa, wenn er wie 2015 auf offener Bühne die Vorsitzende der Schwesterpartei CDU, seine Duzfreundin Angela, für ihre Flüchtlingspolitik abkanzelt. Oder seinem Intimfeind Söder unterstellt, „von Ehrgeiz zerfressen“ zu sein und „Schmutzeleien“ zu betreiben.

Fünf Namen werden in der Partei als Nachfolger gehandelt

Doch jetzt, wo es um ihn selbst geht, da schweigt Seehofer überwiegend. Bei den Sondierungsgesprächen zu Jamaika in Berlin trete er meist ruhig und überlegt auf, attestieren ihm die Mitverhandler. Doch in München hat er eine Partei zurückgelassen, die dabei ist, sich nach dem Debakel der Bundestagswahl zu zerfleischen. Die Chefin des mächtigen CSU-Bezirks Oberbayern, Ilse Aigner, beschreibt die Lage unumwunden: Die CSU liefere ein „katastrophales Bild“ ab. „Die Menschen bekommen das Gefühl, uns interessierten nur unsere Politikerkarrieren“, schimpft die bayerische Wirtschaftsministerin in der „Welt am Sonntag“.

So wird seit Ende vergangener Woche kolportiert, Söder sei bereit, eine Trennung von Partei- und Regierungsamt zu akzeptieren. Heißt, der 50 Jahre alte Franke würde Ministerpräsident und jemand anderes könnte für den Parteivorsitz kandidieren. Ein Signal an die nach wie vor große Zahl der Seehofer-Unterstützer? Vielleicht. Sollte Söder nicht Parteichef werden, dann werden als mögliche Kandidaten der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und Wirtschaftsministerin Aigner genannt. Ebenso wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt oder der Europapolitiker Manfred Weber.

Eine andere Variante geht so: Seehofer bleibt selbst Parteichef, geht in ein Jamaika-Kabinett und sammelt als „Minister des kleinen Mannes“ – etwa im Sozialressort – Punkte für die CSU. Vor allem in der Landtagsfraktion würde man eine Ämtertrennung gutheißen.

Doch wäre Seehofer bereit, die Macht ausgerechnet mit Söder zu teilen? Oder reicht sein Einfluss in der Partei noch aus, Söder ganz zu verhindern? Die bayerischen Bürger jedenfalls haben bereits konkrete Vorstellungen. In einer Forsa-Umfrage sind fast drei Viertel der Bayern der Auffassung, dass Seehofer seine Ämter aufgeben sollte. 35 Prozent aller Bayern halten Söder für den am besten geeigneten Nachfolger im Amt des bayerischen Ministerpräsidenten.

Entscheidend wird für Seehofer sein, was bei der Jamaika-Sondierung für die CSU herauskommt. Bei der Landwirtschaft, der Rente und ganz besonders in der Flüchtlingspolitik.

Seehofer weiß das. Noch hält er die Fäden in der Hand.