Berlin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor Beginn der entscheidenden Jamaika-Sondierungswoche Kompromissbereitschaft von allen Seiten gefordert. „Aus meiner Sicht kann bei gutem Willen eine Lösung erzielt werden“, sagte Merkel am Sonntag vor einer Abstimmungsrunde, zu der sich die Chefs von CDU, CSU, FDP und die beiden Chefunterhändler der Grünen in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin trafen. „Ob das der Fall ist, wissen wir allerdings erst Ende der kommenden Woche“, fügte sie mit Blick auf die am Donnerstag vorgesehene Schlussrunde der Sondierungen über die Bildung einer Koalition hinzu.

Bei einem positiven Verlauf der Sondierungen wollen die Parteichefs ihre Parteien um Zustimmung zu offiziellen Koalitionsverhandlungen bitten. Merkel sagte, nun gehe es in die dritte Phase der Sondierung. In der ersten Phase habe man eine Materialsammlung gemacht. In der zweiten Phase habe man die Themen „verdichtet“ und festgestellt, wo Differenzen seien: „In der dritten Etappe heißt die Aufgabe, Kompromisse zu finden.“ Dies sei eine große Aufgabe.

Die Grünen hatten zuvor Union und FDP vorgeworfen, sie seien bisher zu wenig kompromissbereit. „Bei der Europa-, Außen- und Innenpolitik, beim bezahlbaren Wohnen, bei guter Arbeit, der Verkehrs- und Agrarwende spüren wir keinerlei Entgegenkommen“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir der „Bild am Sonntag“. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin nannte die Abschaltung der Kohlekraftwerke als einen wesentlichen grünen Standpunkt. Wenn Merkel mit den Stimmen der Grünen zur Kanzlerin gewählt werde wolle, müsse sie sich bewegen, sagte der Ex-Umweltminister bei einer Landesdelegiertenkonferenz seiner Partei in Hameln. „Komm mal rüber“, rief er der CDU-Vorsitzenden zu.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte Merkel davor, auf Zeit zu spielen. „Es darf nicht sein, dass die zentralen Streitpunkte erst in der Nacht zu Freitag auf den Tisch kommen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Kanzlerin täuscht sich, sollte sie glauben, uns Grüne unter Zeitdruck überrumpeln zu können.“ Die Grünen-Politikerin Claudia Roth forderte, die nächste Bundesregierung dürfe keine Rüstungsgüter mehr an Saudi-Arabien liefern. „Leider gibt es in dieser Hinsicht noch keine Bewegung bei Union und FDP“, fügte sie hinzu.

Auch in der Sicherheits- und Innenpolitik sind sich die Sondierer in zentralen Punkten noch uneins. Vor allem bei der Vorratsdatenspeicherung und der Telekommunikationsüberwachung gibt es noch keine Annäherung. Für FDP und Grüne ist die anlasslose Speicherung von Daten „ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte“. Die Union will an der Vorratsdatenspeicherung „als notwendigem Instrument zur Verhinderung von Terroranschlägen und Aufklärung schwerster Kriminalität“ festhalten. Sie solle zudem auf Wohnungseinbrüche ausgeweitet werden. Einig sind die die Jamaika-Unterhändler dagegen beim Vorsatz, so schnell wie möglich zusätzliche Stellen für die Polizei in Bund und Ländern, die Justiz sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu schaffen.