Berlin.

Umfragen zeigen in der Politik immer eine gewisse Wirkung. Dass die Zustimmung in der Bevölkerung laut „ARD-Deutschlandtrend“ zu einem Jamaika-Bündnis aus CDU, CSU, Grünen und FDP innerhalb eines Monats um zwölf Prozentpunkte gesunken ist, gefiel den Verantwortlichen in den Parteizentralen gar nicht. Am Ende der dritten Verhandlungswoche für ein Regierungsbündnis waren die Sondierer deswegen zunächst hörbar um Annäherung bemüht.

„Wir biegen jetzt ein auf die Zielgerade“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Freitagmorgen. „Wir wissen um unsere Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Die werden wir wahrnehmen.“ CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, einer der größten Skeptiker des Bündnisses, erklärte, die Zeit dränge, in den Verhandlungen endlich Lösungen zu präsentieren.

Doch der Frieden währte im Laufe des Verhandlungsmarathons nicht allzu lange, zwischen CSU und Grünen kam es erneut zu atmosphärischen Spannungen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer warf den Grünen sogar „Bösartigkeit“ vor, weil sie seiner Partei mangelnde Kompromissbereitschaft unterstellten. „Wenn Dinge vorgeschlagen werden, die falsch sind, inhaltliche und finanzielle Fehler nach sich ziehen, kann man nicht zustimmen“, sagte Scheuer am Rande der Verhandlungen. Aber dies habe nichts mit Blockaden zu tun. „Blödsinn bleibt Blödsinn. Das ist ein bösartiges taktisches Manöver, um von eigenen internen Streitigkeiten abzulenken.“ Der Grüne-Unterhändler Robert Habeck twitterte zwischenzeitlich: „Ich brauche Luft“. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner betonte dagegen, dass es bei den Fachthemen wechselnde Allianzen gebe – darunter sogar manchmal eine „Süd-Jamaika-Koalition“ aus CSU, Grünen und FDP.

Letztlich kam man dann trotz der Scharmützel einen Schritt voran, besonders in den Bereichen Bildung, Digitales, Europa, Pflege und Arbeit. Äußerst strittig bleiben die Bereiche Verkehr, Klima, Migration und Sicherheit. Konkrete Ergebnisse wurden bis zum Freitagabend jedoch nicht präsentiert. Ein Entwurf für das Abschlusspapier der zweiten Sondierungsrunde sieht jedoch vor, dass die Unterhändler Investitionen von bis zu zwölf Milliarden Euro in Bildung, Forschung und Innovation anstreben. Allerdings steht die Höhe der Ausgaben unter Finanzierungsvorbehalt. Einig waren sich die Experten auch über eine verpflichtende Rentenversicherung für Selbstständige und den Ausbau der privaten Rentenversicherung. Details blieben jedoch offen.

Verhandlungsführer treffen sich am Sonntag erneut

Eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen sei geschaffen worden, erklärte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer diese ersten Ergebnisse. Es zeichne sich ab, dass es „einen gemeinsamen Rahmen“ geben könne. FDP-Chef Christian Lindner hatte vor den Verhandlungen bereits eine Bereitschaft seiner Partei signalisiert, auf eine sofortige Abschaffung des Solidaritätzuschlags zu verzichten. Die Grünen waren etwas skeptischer: „Die Segel sind gesetzt, wir kommen ein Stück voran, und ich würde mir insgesamt von allen Seiten noch mehr Rückenwind wünschen“, so Geschäftsführer Kellner.

Die Parteichefs und Verhandlungsführer werden nun am Sonntag die strittigen Themen angehen. Die nächste Woche soll dann die „Woche der Entscheidung“ sein, wie es ein Unterhändler ausdrückte. Für den letzten Verhandlungstag wird mit einer Nachtsitzung bis in den frühen Morgen gerechnet.

Ziel ist ein Papier mit gemeinsamen Beschlüssen, sodass jede Partei ihrer Basis die Aufnahme von Koalitionsgesprächen schmackhaft machen kann. CDU und CSU beraten dann in Vorstandsklausuren, auch die FDP berät in ihren Gremien. Die Grünen haben einen Parteitag angesetzt. Die Chancen für ein Regierungsbündnis wurden am Freitag allgemein etwas besser eingeschätzt als noch zu Beginn der Woche. Auf die Frage, ob ihm eine mögliche Koalition mit den Grünen Albträume bereite, antwortete CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt trotzdem nur ausweichend: „Die Nächte sind zurzeit zu kurz, um Albträume zu haben.“