Hamburg. Die Linke lobt den überraschenden Vorstoß. Jamaika-Partner über Ausgestaltung uneins

Der Vorstoß kam überraschend: SPD-Vize Olaf Scholz fordert seine Partei auf, sich für eine deutliche Anhebung des Mindestlohnes einzusetzen. „Wir sollten den Mindestlohn in einem überschaubaren Zeitraum auf zwölf Euro pro Stunde anheben“, sagt Hamburgs Erster Bürgermeister dem „Spiegel“. Die Lohngrenze müsse künftig hoch genug sein, damit niemand, der Vollzeit arbeite, im Alter auf öffentliche Hilfe angewiesen sei. Derzeit gilt ein Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde. Die Linke setzt sich bereits seit längerem für eine Steigerung auf zwölf Euro ein. „Man kann für Wachstum und technischen Fortschritt sein und zugleich für einen starken Sozialstaat mit ordentlichen Löhnen“, betonte Scholz.

Der Parteivize hatte kürzlich ein Papier vorgelegt zur Neuausrichtung der SPD nach dem Wahldebakel. Anders als SPD-Chef Martin Schulz, der zuletzt mehr Mut zur Kapitalimuskritik gefordert hatte, hatte Scholz darin für einen pragmatischen Kurs geworben, der Wirtschaftswachstum, Fortschritt und soziale Gerechtigkeit verbinde.

Im Interview mit dem „Spiegel“ erneuerte Scholz seine Kritik am Wahlkampf der Sozialdemokraten. „Die SPD hätte dieses Jahr die Bundestagswahl gewinnen können.“ Allerdings habe die Partei versäumt, ihre Forderungen klar zu benennen. Scholz mutmaßte, dass die Kanzlerin bei der nächsten Bundestagswahl wieder antreten werde. „Die Union hat zu Frau Merkel keine Alternative.“ Die Kanzlerin werde wohl nicht freiwillig abtreten, sondern eher „wie Helmut Kohl durch eine Wahl abgelöst werden“.

Die Linke lobte den Kurswechsel von Scholz beim Mindestlohn. „Im Wahlkampf stritt er bei Anne Will noch jede Verantwortung der Agenda 2010 für den Niedriglohnsektor ab und bezeichnete dies als Verschwörungstheorie. Besser spät als nie!“, kommentiert der Hamburger Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi. „Die Anhebung ist dringend notwendig, um die Lebenssituation von Beschäftigten am unteren Ende der Lohnskala zu verbessern und Altersarmut zu bekämpfen.“

De Masi bedauerte, dass die SPD diesen Vorschlag nicht aufgegriffen hat, solange es eine Mehrheit von SPD, Linken und Grünen zur Durchsetzung eines 12-Euro Mindestlohnes im Bundestag gegeben hat. „Wir werden einen erneuten Antrag für den 12-Euro-Mindestlohn in den Bundestag einbringen“, kündigte De Masi an.

Der Vorstoß des Bürgermeisters erhöht auch den Druck auf Union, FDP und Grünen, die derzeit über eine „Jamaika“-Koalition verhandeln. Während die Grünen bei den Regelungen zum Mindestlohn keine Lockerung der Gesetze hinnehmen möchten, hat sich die FDP kritisch geäußert. Sie will „die Misstrauensbürokratie gegen Handwerk und Mittelstand reduzieren“.