Brüssel. Mit dem Verkauf von Staatsbürgerschaften sanieren Malta und andere Länder ihre Staatskasse. In Brüssel wird nun Kritik laut

Rund eine Million Euro soll die Eintrittskarte in die EU kosten, aber für das handverlesene Publikum im Luxushotel Palace in Dubai ist das wohl das kleinste Problem. Der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat ist eigens in die Golf-Metropole gereist, um der reichen Elite aus Arabien die Vorzüge seines bizarren Staatsbürgerschaftsprogramms zu erläutern: Wer der Regierung in Valetta 650.000 Euro überweist und weitere 500.000 Euro in Immobilien und lokale Projekte investiert, der kann dafür binnen eines Jahres die Staatsbürgerschaft Maltas erhalten, erklärt Muscat bei dem „Seminar“ vergangene Woche.

Er sei stolz darauf, dass sein Land „die richtigen Leute“ anziehe, versichert der Premier. Dafür hat er allerdings auch viel zu bieten: Der Pass des EU-Staates Malta ermöglicht nicht nur dauerhaften Zugang zur Mittelmeerinsel, sondern Reisefreiheit in der gesamten EU, Deutschland eingeschlossen. Als Unions-Staatsbürger können sich die Passkäufer überall in der EU aufhalten und geschäftlich betätigen. Russen, Chinesen und Araber greifen besonders gern zu: Die zusätzliche Staatsbürgerschaft ist für sie eine Versicherung in politisch unsicheren Zeiten – und sie bietet obendrein die visafreie Einreise in rund 150 Staaten weltweit.

Es ist ein Geschäftsmodell, das dem kleinen Inselstaat mit seinen 430.000 Einwohnern bereits über eine Milliarde Euro eingespielt und zuletzt Haushaltsüberschüsse ermöglicht hat. Allein vergangenes Jahr bekamen rund 250 Investoren ihren maltesischen Pass.

Doch die Kritik an dieser Praxis wird lauter. Nach Muscats Werbetour in Arabien gibt es jetzt Proteste in Brüssel: „Es ist unglaublich, dass Premier Muscat immer noch für sein Golden-Visa-Programm wirbt“, schimpft der EU-Abgeordnete Werner Langen, Mitglied der christdemokratischen EVP-Fraktion, über den Auftritt des Regierungschefs in Dubai. Mit der Staatsbürgerschaft von EU-Ländern, die europaweite Freizügigkeit garantiere, sei „eine hohe Verantwortung verbunden“, mahnt Langen. Für den EVP-Mann ist klar: „Die EU muss handeln und diese Programme stoppen.“

Malta betreibt allerdings nur besonders konsequent, was etwas vorsichtiger auch andere EU-Staaten praktizieren. Portugal, Irland, Griechenland, Bulgarien oder Zypern haben nach der Finanzkrise ähnliche Programme aufgelegt, um neue Staatseinnahmen zu organisieren und brachliegende Immobilienmärkte in Schwung zu bringen – ungeachtet massiver Kritik des EU-Parlaments und kritischer Beobachtung durch die EU-Kommission.

Einer der Vorreiter war Lettland, das die Türen für wohlhabende Russen, Kasachen oder Chinesen öffnet: Wer eine Immobilie für mindestens 250.000 Euro erwirbt, bekommt ein fünfjähriges Aufenthaltsrecht und, damit verbunden, Reisefreiheit in ganz Europa.

Auch Griechenland bietet Nicht-EU-Bürgern und ihren Familien für eine Immobilieninvestition von mindestens 250.000 Euro ein Aufenthaltsrecht, befristet auf fünf Jahre, aber mit Verlängerungsoption; Chinesen sind die besten Kunden. In Zypern können Ausländer, die mindestens zwei Millionen Euro in Immobilien investieren, die Staatsbürgerschaft der Inselrepublik beantragen – sofern der Investor nicht vorbestraft ist. Rund vier Milliarden Euro hat das Land damit schon eingenommen, für den zusätzlichen Pass interessieren sich vor allem Russen.

Wer sich da in die EU einkauft, wird nach Einschätzung von Kritikern nicht genau geprüft. In Griechenland etwa konnte sich schon mal ein russischer Auftragsmörder sein EU-Ticket holen – er wurde später über eine Interpol-Fahndung gefasst. In Zypern nutzen Neubürger das Modell offenbar zur Geldwäsche. Zypern und Malta stehen besonders in der Kritik, weil sie nicht nur Aufenthaltsgenehmigungen, sondern mit kurzer Wartefrist komplette Staatsbürgerschaften verkaufen. „Die EU-Staatsbürgerschaft darf nicht zu einer Handelsware werden“, hat das EU-Parlament schon in einer Resolution erklärt. Die Sorge einer großen Abgeordneten-Mehrheit: Mit dieser Praktik wird das Konzept der Unions-Staatsbürgerschaft unterminiert. Die EU-Kommission verfolgt die Programme aufmerksam, ihre Möglichkeiten sind indes begrenzt: Wer ihre Bürger sind, bestimmen die EU-Mitgliedstaaten immer noch selbst, sie entscheiden über die Ausgabe von Pässen und Aufenthaltsgenehmigungen. Doch betont die Kommission unter Hinweis auf EU- und Völkerrecht, es müsse eine „echte Verbindung“ zwischen dem Antragsteller und dem Land seiner Staatsangehörigkeit geben. Ein Sprecher der Kommission sagte dieser Zeitung: „Da die nationale Staatsbürgerschaft die Voraussetzung für die Unionsbürgerschaft und die Eintrittspforte für Vertragsrechte ist, verfolgt die Kommission die Anwendung der Anlegerprogramme, die die nationale Staatsangehörigkeit in den Mitgliedstaaten gewähren, genau“. Die Mitgliedsstaaten sollten Staatsangehörigkeiten „im Geist der loyalen Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten“ gewähren, so der Sprecher. In Malta hatte die EU-Kommission bereits interveniert: Auf ihre Bedenken hin änderte die maltesische Regierung ihr Programm und verlangte, dass für die Staatsbürgerschaft ein vorheriger Wohnsitz in Malta von mindestens zwölf Monaten erforderlich ist.

Doch Kritikern reicht das nicht, im EU-Parlament geht die Geduld zu Ende: Die EU-Kommission müsse handeln, heißt es nun in der EVP-Fraktion. Alle Programme „Staatsbürgerschaft gegen Geld“ müssten gestoppt werden. Die Nachsicht hat ein Ende, weil Malta nach dem Mord an der Enthüllungsjournalisten Daphne Caruana Galizia ohnehin unter verschärfter Beobachtung steht. Korruptions- und Geldwäschevorwürfe stehen im Raum. Schon wird im EU-Parlament diskutiert, ob nicht auch gegen Malta ein Rechtsstaatsverfahren eingeleitet werden müsste; übernächste Woche wollen die Abgeordneten eine Resolution zur Lage in Malta beschließen.

Dass Muscat in dieser Situation ungerührt sein Pass-Verkaufsprogramm in Dubai fortsetzte, bestürzt Parlamentarier in Brüssel und die Opposition in Malta. Doch Premier Muscat wischt alle Einwände weg. Seine Werbetour für millionenschwere EU-Tickets geht weiter. Mitte November wird er in Hongkong das „Golden Visa“-Programm vorstellen, 500 zahlungskräftige Interessenten haben sich schon angemeldet.