Prag/Berlin. Milliardär Andrej Babiš gewinnt die Wahl. Nun ringt das Land um seine Zukunft in der EU

Tschechien hat am Wochenende ein neues Parlament gewählt – und traditionellen Parteien sowie proeuropäischen Kräften eine Absage erteilt. Die Protestbewegung ANO („Ja“) des Milliardärs Andrej Babis hat die Wahl mit einem massiven Vorsprung gewonnen und kommt auf 29,6 Prozent der Stimmen. Der Abstand der Populisten zu den zweitplatzierten Bürgerdemokraten ODS beträgt mehr als 18 Prozentpunkte.

Auch die zwei anderen großen Gewinner der Wahl, die rechtsradikale SPD (Freiheit und direkte Demokratie) – denen Marine Le Pen vom französischen Front National ihre Unterstützung ausgesprochen hatte – und die tschechischen Piraten, traten im Wahlkampf als Fundamentalopposition auf. So fordert die SPD den „radikalen Umbau des Systems“ und ein Islamverbot. Beide ziehen mit knapp elf Prozent ins Parlament ein. Die Sozialdemokraten (CSSD), die bisher den Regierungschef gestellt hatten, erlebten ein Debakel. Sie stürzten von 20,5 Prozent auf 7,3 Prozent ab.

„Die Wahlen sind ein Umbruch für die Politik im Land“, sagt Jirí Pehe, Direktor der New-York-University in Prag und einstiger politischer Berater des Nachwende-Präsidenten Václav Havel. Er spricht von einem schlechten Zeugnis für die Parteien der Mitte. Schuld daran seien auch die Sozialdemokraten und andere proeuropäische Parteien.

Tschechien geht es wirtschaftlich so gut wie nie in der jüngeren Vergangenheit. Die Arbeitslosigkeit ist mit rund drei Prozent die niedrigste der gesamten EU, die Wirtschaft wächst, die Löhne steigen. „Die traditionellen Parteien haben eine großen Fehler gemacht: Sie haben keine eigenen Themen gesetzt, haben sich nur an Babis abgearbeitet, sind auf seine negative Kampagne aufgesprungen“, sagt der Soziologe Daniel Prokop vom tschechischen Meinungsforschungsinstitut Median.

Babis gehört ein Firmenimperium namens Agrofert, zu dem an die 250 Landwirtschafts-, Lebensmittel- und Chemieunternehmen in Europa sowie einige der wichtigsten Medien zählen. Gegen ihn laufen Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs, seinen Posten als Finanzminister musste er wegen Vorwürfen der Steuerhinterziehung räumen. Die traditionellen Parteien stilisierten ihn im Wahlkampf zu einer Gefahr für die Demokratie. Nicht ohne Grund, wie Babis zuletzt am Wahltag zeigte. In der Gratis-Tageszeitung „Me­tro“, die zu seinem Verlag gehört, erschien statt der Titelseite sein „Vertrag mit den Bürgern“. Darin verspricht Babis, der Klientelpolitik der „Mainstream-Parteien“ ein Ende zu bereiten.

Laut Milan Znoj, Politologe an der Prager Karlsuniversität, liegen die Gründe für den Aufstieg von Babis tiefer. „Viele Menschen kommen nach den vielen Korruptionsskandalen der Nachwende-Parteien zu dem Schluss, dass das aktuelle politische System gescheitert ist“, sagt Znoj. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Wahl für das Verhältnis zur EU habe, sind sich die Beobachter einig. Babis sei kein Ideologe wie Ungarns Viktor Orbán oder Polens Jaroslaw Kaczynski, vielmehr ein Machiavellist und Pragmatiker. Eine harte Konfrontation mit Brüssel sei weder im Sinne seiner Geschäftsinteressen noch günstig für die tschechische Wirtschaft.

Noch am Wahlabend versicherte Babis: Tschechien sei und bleibe ein fester Bestandteil der Nato und der EU. Und: „Wir sind keine Gefahr für die Demokratie.“ Nun gehe es vorerst darum, eine Regierung zusammenzustellen, die „unser Programm umsetzt“. Dafür braucht er die Unterstützung von zwei Parteien. Allerdings haben fast alle neun gewählten Parlamentsparteien bereits eine Zusammenarbeit mit Babis als Premier ausgeschlossen – mit Ausnahme der rechtsradikalen SPD.