Tokio. Der konservative Ministerpräsident kommt durch seinen Erfolg seiner angestrebten Änderung der pazifistischen Verfassung des Landes einen Schritt näher

Bei der Parlamentswahl in Japan steuert die Koalition des konservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe auf einen klaren Wahlsieg zu. Ersten Prognosen zufolge hat die von Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP) angeführte Koalition Aussicht auf den Erhalt ihrer Zwei-Drittel-Mehrheit. Damit hätte Abe den erforderlichen Rückhalt, um wie angekündigt die noch aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammende pazifistische Verfassung des Landes zu ändern. Ausgerechnet am Wahltag näherte sich Japan ein Taifun, der schon mit seinen ersten Ausläufern mindestens zwei Menschen das Leben kostete. Die Behörden forderten Zehntausende auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Wahlbeteiligung lag nach Medien-Schätzungen mit 53,7 Prozent nur leicht über dem Rekordtief beim Votum von 2014.

Laut Nachwahlbefragungen für den Fernsehsender TBS könnte das Bündnis von Abes LDP mit der Komeito 311 der 465 Sitze im Unterhaus gewinnen. Auch der öffentlich-rechtliche Sender NHK sah die Regierungskoalition auf dem Weg zu einer erneuten Zwei-Drittel-Mehrheit. In Erhebungen anderer Sender lag die Koalition knapp unter dieser Marke. Das Endergebnis der Wahl wurde am Montagmorgen erwartet.

Der Wahlkampf stand im Zeichen des Konflikts mit Nordkorea. Japan ist ein enger Verbündeter der USA; Abe unterstützt den harten Nordkorea-Kurs von US-Präsident Donald Trump. Ein Wahlsieg könnte Abes Kampagne zur Änderung der Verfassung neuen Schwung geben. Mit dem Vorhaben würde sich Japan vom Pazifismus der Nachkriegszeit verabschieden und den Streitkräften eine größere Rolle einräumen. Der Regierungschef sagte am Sonntag, er setze sich dafür aber keine Frist und suche die Unterstützung anderer Parteien.

Ein Sieg der Regierungskoalition würde auch bedeuten, dass der Ministerpräsident seinen als „Abenomics“ bekannt gewordenen Kurs in der Konjunkturpolitik fortsetzen könnte. Seine Wachstumsstrategie ruht auf einer ultralockeren Geldpolitik. Japan ist hoch verschuldet. Doch Abe betonte am Sonntag, aus dieser Lage komme das Land ohne Wirtschaftswachstum erst recht nicht heraus. Er kündigte zudem an, eine für 2019 geplante Mehrwertsteuererhöhung umsetzen – es sei denn, Japans Wirtschaft werde von einer Krise im Ausmaß der Lehman-Pleite erschüttert.

Abe regiert seit Dezember 2012. Der 63-Jährige hatte die regulär erst im kommenden Jahr anstehende Parlamentswahl vorgezogen, um von seinen zuletzt gestiegenen Umfragewerten profitieren zu können. Zeitweise erschien diese Strategie jedoch riskant für Abe, weil die frühere Verteidigungsministerin und jetzige Gouverneurin der Region Tokio, Yuriko Koike, mit ihrer neuen Partei der Hoffnung zunächst große Begeisterung ausgelöst hatte. Doch die schon als erste Frau an der Spitze einer japanischen Regierung gehandelte Koike trat nicht selbst an, und die Unterstützung für ihre konservative Partei bröckelte.

Den Befragungen am Sonntag zufolge bleibt Koikes Partei noch hinter einer weiteren Neugründung, der Konstitutionell-Demokratischen Partei, zurück. Und beide Lager dürften je nur einen Bruchteil der Stimmen bekommen, die die LDP auf sich vereinen kann. Experten hatten im Vorfeld erklärt, gerade den eher von Wechselwählern abhängigen kleinen Bündnissen könnte der herannahende Taifun „Lan“ zu schaffen machen. Solche Wähler würden bei Starkregen, der nun tatsächlich weite Teile des Landes heimsuchte, eher nicht an die Urnen gehen, so die Begründung.