Kairo. Blutbad in Ägypten: Extremisten überfallen Sicherheitskräfte

Ägypten erlebte am Wochenende den blutigsten Terrorangriff auf seine Polizei in der jüngeren Geschichte des Landes. Auf der Wüstenstraße vom Niltal in die Touristenoase Bahariya geriet ein Konvoi von Sicherheitskräften 135 Kilometer von Kairo entfernt in einen Hinterhalt. Während der stundenlangen Gefechte, bei denen die Angreifer auch schultergestützte Raketen einsetzten, starben mindestens 59 Polizisten, darunter zwei Generäle und 21 höhere Offiziere. Nach Polizeiangaben ging den überraschten Beamten die Munition aus. Mehrere von ihnen wurden gefangen genommen und hingerichtet, 15 der Angreifer starben.

Auch wenn offizielle Stellen in Kairo das blutige Geschehen herunterzuspielen versuchten und nur von 16 Polizeiopfern sprachen: Die Tragödie zeigt, dass dem Regime auf beiden Seiten des Niltals die Kontrolle zunehmend entgleitet. Die Fahrzeugkolonne war nach Angaben des Innenministeriums von Kairo losgefahren, nachdem die Sicherheitsbehörden einen offenbar falschen Tipp über ein größeres Versteck von Terroristen in der Westwüste erhalten hatten. In der Gegend von Al-Wahat verließ der Konvoi die vierspurige Teerstraße und fuhr etwa 15 Kilometer tief in das sandige Gelände, als der Angriff begann.

Staatspräsident al-Sisi ruft Sicherheitskabinett zusammen

Aus einem Handy-Mitschnitt, der im Internet kursierte, geht hervor, dass vier Überlebende mit ihrem Jeep hilflos durch den Sand irrten und sich nicht mehr orientieren konnten. Offenbar waren die aus der Hauptstadt herangeführten Beamten mit dem Gelände nicht vertraut und hatten keine große Wüsten-Erfahrung.

Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi sagte am Samstag nach der 75-Jahr-Feier am Weltkriegsort El-Alamein alle weiteren Termine ab und traf sich mit seinem Sicherheitskabinett. Bisher bekannte sich niemand zu der beispiellosen Mordaktion.

Auf dem Nordsinai sind die Anti-Terror-Operationen der ägyptischen Armee längst zu einem regelrechten Krieg mit Anhängern des „Islamischen Staates“ eskaliert. Erst vor einer Woche griffen über 100 IS-Dschihadisten einen Außenposten nahe der Stadt Sheikh Zuwaid an, sechs Soldaten und 24 Militante starben.

Im Mai veröffentlichte die IS-Publikation Al-Nabaa ein Interview mit einen Unbekannten, der sich als der neue Ägypten-Chef der sogenannten „Soldaten des Kalifates“ ausgab. Nach seinen Aussagen existieren jetzt zwei voneinander unabhängige IS-Filialen auf ägyptischem Territorium – eine operiert als „Provinz Sinai“ im Norden der Halbinsel, die andere vom Nordsinai aus in den übrigen Teilen des Landes, vor allem in Kairo und im Nildelta.

Nach Aussagen von entlassenen Häftlingen ist der IS auch in ägyptischen Gefängnissen aktiv und versucht unter den 60.000 politischen Gefangenen des Sisi-Regimes neue Anhänger zu rekrutieren. Die Vereinigten Staaten und viele europäische Regierungen, darunter auch das deutsche Außenministerium, sagten Kairo ihre Solidarität im Kampf gegen den Terror zu.