Washington. Die Ex-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama verurteilen die Abschottungspolitik und Twitter-Attacken von Amtsinhaber Trump

Enthaltsamkeit, was die Kommentierung ihrer Nachfolger angeht, ist für Amerikas Präsidenten normalerweise ein ehernes Gebot. Der amtierende Commander-in-Chief, so der Gedanke dahinter, hat es schwer genug. Neun Monate Donald Trump haben diese Tradition über den Haufen geworfen. George W. Bush und Barack Obama, die Präsidenten Nr. 43 und 44, haben jetzt unabhängig voneinander in leidenschaftlichen Reden ihre große Sorge über den Zustand der Nation bekundet.

Ohne Trump namentlich zu erwähnen, lieferten der Republikaner und der Demokrat, die seit Jahren ein fast freundschaftliches Verhältnis pflegen, ein vernichtendes Urteil über die von Nationalismus, Protektionismus und Isolationismus geprägte „Amerika zuerst“-Strategie des New Yorker Unternehmers.

Vor allem Bushs Rede, die er in seinem Institut in New York hielt, sorgte für heftiges Mediengewitter. Der 71-Jährige, der von 2001 bis 2009 regierte, meidet sonst das politische Scheinwerferlicht. Umso größer war die Resonanz, als der Texaner davon sprach, dass der nationale Diskurs in den USA inzwischen von „leichtfertiger Grausamkeit“ vergiftet sei. Und dass die Spaltungstendenzen in der Gesellschaft immer prekärer würden. „Manchmal scheint es so, als wenn die Kräfte, die uns auseinanderziehen, stärker wären als die Kräfte, die uns zusammenschweißen.“ Bush bezog Stellung ge-gen die Abschottungspolitik, die Trump verfolgt; etwa bei der Immigration. „Wir haben die Dynamik vergessen, die immer wieder von der Einwanderung nach Amerika gebracht wurde.“ Auch monierte Bush die ökonomische Ausrichtung der amtierenden Regierung: „Wir sehen ein verblassendes Vertrauen in den Wert freier Märkte und internationalen Handelns – und vergessen dabei, dass Konflikte, Instabilität und Armut die Folgen von Protektionismus sind.“

Bush ließ keinen Zweifel daran, dass ihm Trumps Sympathien für eine „Vorherrschaft der Weißen“ zuwider sind. Menschen „jeder Ethnie, Religion oder Zugehörigkeit“ könnten „gleichberechtigte Amerikaner“ werden. „Blinder Eifer und weißer Nationalismus in jeder Form“ seien „eine Schmähung für Amerikas Überzeugungen“. Indirekt machte Bush Trumps Twitter-Attacken für den Verfall der Sitten mitverantwortlich, die sich in einer Unkultur des hasserfüllten Aneinandervorbeiredens der politischen Lager manifestieren. „Mobbing und Vorurteile in unserem öffentlichen Leben prägen einen nationalen Ton und legitimieren Grausamkeit und Bigotterie“.

Barack Obama schaltete sich im Bundesstaat New Jersey ins Tagesgeschehen ein. Dort tritt der frühere US-Botschafter in Deutschland, Phil Murphy, am 7. November aussichtsreich für die Nachfolge von Gouverneur Chris Christie an. Obama warnte vor einer Politik der Polarisierung und Ausgrenzung. „Wir sind dann am Besten, wenn wir die Menschen nicht beleidigen, sondern wenn wir versuchen, jeden zu ermuntern.“ Ohne Trump direkt anzugreifen, warf ihm Obama eine „Politik der Angst“ vor, wie sie vor 50 Jahren praktiziert worden sei. Im 21. Jahrhundert habe dies in Amerika nichts zu suchen.

Bush wie Obama knüpften nahtlos an das an, was der republikanische Senator John McCain gesagt hatte: Danach ist es „unpatriotisch“, einem „unausgegorenen und aufgesetzten Nationalismus“ zu folgen. Diese Gesinnung sei von Menschen erfunden worden, „die lieber Sündenböcke suchen als Probleme zu lösen“.