Berlin.

Die Chemie muss stimmen, wenn Jamaika ein stabiles Bündnis werden soll. Gut also, dass in diesen Tagen Politiker an einem Tisch sitzen, von denen sich einige ziemlich gut leiden können. Weil sie jenseits der Politik etwas verbindet. Persönliche Prägungen, gemeinsame Leidenschaften – oder einfach das Gefühl: Der tickt wie ich. Vor der ersten gemeinsamen Sondierung von CDU, CSU, FDP und Grünen an diesem Freitag lohnt sich der Blick auf fünf Paare, die über Parteigrenzen hinweg einen Draht zueinander haben.

Christian Lindner (FDP)
und Cem Özdemir (Grüne)

Die beiden duzen und schätzen sich. FDP-Parteichef Lindner (38) sagt über den Grünen-Chef, er sei ihm in vielen Punkten „näher als Frau Merkel“. Özdemir (51) wiederum lobt Lindner für seinen „scharfen Verstand“ und „mutigen Optimismus“. Doch das Verhältnis ist nicht immer stabil: In den Tagen vor der Wahl herrschte Eiszeit zwischen den beiden. Die Grünen beschimpften die FDP als Klimaleugner und Menschenfeinde. Özdemir nannte Lindner einen „Diktatoren-Versteher“. Die FDP keulte zurück. Das Vertrauen zwischen den beiden war so brüchig, dass sogar eine persönliche SMS riskant erschien. Die Sorge war zu groß, dass die Nachricht in der Öffentlichkeit landen könnte.

Am Donnerstag saßen sich Lindner und Özdemir beim Zweiertreffen von Grünen und FDP zum ersten Mal als mögliche Koalitionspartner gegenüber. Zwei Stunden vorher hatte Lindner sein neues Buch vorgestellt, das am Mittwoch erscheint: Es heißt „Schattenjahre“ und ist ein Bericht in Ich-Form: Lindner erklärt die Wiederauferstehung der FDP und welch entscheidenden Anteil er daran hatte. Den Grünen reicht er darin die Hand. Die Botschaft: Wenn wir zusammenhalten, können wir uns den große Partner aussuchen, „ob das nun die CDU ist oder die SPD“.

Angela Merkel (CDU)
und Katrin Göring-Eckardt (Grüne)

Es gibt nur wenige Frauen in den Sondierungsteams der Parteien und kaum Unterhändler aus den neuen Ländern. CDU-Chefin Angela Merkel (63) und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt (51) sind hier deswegen Exoten: die einzigen Frauen mit ostdeutscher Biografie. Doch die beiden verbindet weit mehr: Nach dem Mauerfall waren beide in derselben Partei – dem Demokratischen Aufbruch. In den Jahren danach setzten sie sich bei der CDU und den Grünen gegen viele Vorbehalte durch. Die evangelische Pfarrerstochter Merkel und die engagierte Protestantin Göring-Eckardt pflegen heute einen ruhigen, uneitlen Stil. Sie sind keine ideologischen Hardliner, sondern Pragmatikerinnen: bereit, Positionen zu räumen, wenn es den eigenen Zielen entgegenkommt. Göring-Eckardt hat Merkel für ihre Standhaftigkeit in der Flüchtlingskrise öffentlich gelobt – die Kanzlerin merkt sich so etwas. Göring-Eckardt wiederum gab zu erkennen, dass sie wahrgenommen hat, dass Merkel am ersten Sondierungstag, beim Treffen von Union und Grünen, ein Freundschaftssignal gesendet hat: mit einem leuchtend grünen Jackett.

Peter Altmaier (CDU)
und Anton Hofreiter (Grüne)

CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier (59) und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter (47) teilen eine Leidenschaft: Beide essen gern. „Ich habe schon manches Filet mit Toni Hofreiter verspeist“, hat Altmaier vor einem guten Jahr erzählt. Der Anlass: Er stellte Hofreiters Buch „Fleischfabrik Deutschland“ vor. Die beiden duzen sich. Und hatten in den vergangenen vier Jahren als Kanzleramtschef und Fraktionschef viel miteinander zu tun. Zeit genug, um ein gutes Verhältnis zu entwickeln. Neugierig auf die Grünen ist Altmaier schon länger. In den 90er-Jahren gehörte er zur Pizza Connection, einer Gruppe von jungen CDU- und Grünen-Abgeordneten, die regelmäßig beim Bonner Italiener Sassella zusammensaßen. Schon am Ende der Ära Helmut Kohl erkannte Altmaier, dass die Grünen eines Tages Koalitionspartner werden könnten.

Horst Seehofer (CSU)
und Winfried Kretschmann (Grüne)

Mit den Grünen konnte Horst Seehofer (68) lange Zeit nichts anfangen. Das änderte sich, als im Jahr 2011 Winfried Kretschmann (69) Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde. Die beiden vertrauen sich. Wie gut das Verhältnis ist, zeigt ein Satz, den Seehofer im Wahlkampf sagte: „Mit Kretschmann könnte ich schon morgen ein Bündnis für ganz Deutschland machen.“ Kretschmann wiederum springt manchmal für Seehofer in die Bresche: Den bayerischen Ministerpräsident „in die rechtsextreme Ecke zu schieben“, sei „völlig überspannt“, sagte der knorrige Schwabe während der Flüchtlingskrise. Links orientierte Grüne halten Kretschmann deswegen für einen Seehofer-Versteher, doch die Beziehung zwischen den beiden hält einiges aus – sogar das Geschacher um das Amt des Bundespräsidenten. Seehofer verhinderte, dass Union und Grüne Kretschmann zum Bundespräsidenten wählten.

Wolfgang Kubicki (FDP)
und Robert Habeck (Grüne)

Wer immer FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki (65) in den letzten Monaten auf sein Verhältnis zu den Grünen oder sein Bauchgefühl mit Blick auf die Jamaika-Verhandlungen ansprach, landete unweigerlich bei diesem Namen: Robert Habeck (48), Umweltminister in Schleswig-Holstein, hochgeschätzter Verhandlungspartner von Kubicki für das Jamaika-Bündnis in Kiel und Wunschpartner für die Sondierungen in Berlin. Mit Habecks Grünen hätten sich „persönliche und belastbare Beziehungen entwickelt“, sagt Kubicki. „Dieses Grundvertrauen fehlt bislang auf der Bundesebene.“ Sollten sich die Sondierungen in den kommenden Wochen verhaken, könnten Kubicki und Habeck noch wichtig werden: weil sie im Norden erfolgreich geprobt haben, wie man „Kompromisse schließen kann, ohne dass ein Partner sein Gesicht verliert“.