Brüssel.

Das fängt ja gut an für Emmanuel Macron: Der französische Präsident hat das Gebäude des Europäischen Rates noch nicht betreten, da wird er schon stürmisch begrüßt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kommt auf ihn zu, herzliche Umarmung, Schulterklopfen, dann ziehen die beiden Präsidenten gemeinsam los.

Auf diesem Gipfel der EU-Regierungschefs scheint die Bühne bereitet für den großen Auftritt des ehrgeizigen Franzosen. Kanzlerin Angela Merkel kann ihre europäische Führungsrolle nur mit gebremster Kraft ausfüllen, solange die Jamaika-Koalition noch nicht steht. Und einer der möglichen Gegenspieler Macrons, der österreichische Wahlsieger Sebastian Kurz, nimmt am Gipfel noch nicht teil.

Aber die große Macron-Schau fällt dennoch aus. Der smarte Kurz hat schon am Morgen vor einem Treffen der konservativen Parteichefs auf EU-Ebene gezeigt, dass mit ihm zu rechnen ist: „Ich will die EU verbessern und stärken und Österreich wieder an die Spitze der Union bringen“, versichert er und berichtet vom vertrauensvollen Vier-Augen-Gespräch mit Juncker. Und Merkel?

Noch vor dem Gipfel zieht sich die Kanzlerin mit Macron für eine halbe Stunde zur Beratung zurück, um unter vier Augen die großen Themen abzustimmen. Merkel ist bemüht, den Eindruck zu widerlegen, sie sei in Brüssel nur bedingt geschäftsfähig.

Tatsächlich stehen Macrons Reformvorschläge für die Euro-Zone noch nicht auf der Tagesordnung. Dafür bietet die Gipfelregie der Kanzlerin gleich zu Beginn Raum für eine schöne Erfolgsbilanz. Die Verteidigungsunion kommt jetzt schnell voran – dank einer intensiven deutsch-französischen Vor- und Zusammenarbeit. Mindestens 20 EU-Länder wollen sich Berlin und Paris anschließen und ihre Verteidigungsprojekte enger verzahnen, Streitkräfte für gemeinsame Einsätze verknüpfen.

Doch schon beim Thema Migration ist die Harmonie vorüber. Zwar bescheinigen sich die Regierungschefs, dass die Sicherung der EU-Außengrenze Fortschritte mache. Aber eine Einigung auf die Reform des Asylsystems inklusive eines Flüchtlingsverteilungsmechanismus steht weiter aus.

Die EU-Beitrittsgespräche mit Ankara gehen weiter

Beim Abendessen, als es auch um die Beziehungen zur Türkei geht, sorgt die Kanzlerin für eine weitere Kontroverse: Sie will, dass die EU nach der Inhaftierung deutscher Staatsbürger den Druck auf die türkische Regierung erhöht. Für den von Merkel ins Spiel gebrachten Abbruch der Beitrittsverhandlungen ist die notwendige einstimmige Unterstützung der EU-Staaten aber nicht in Sicht. Auch die Absage an eine Ausweitung der Zollunion mit der Türkei, wie Berlin jetzt fordert, wird kontrovers diskutiert; notfalls könnte die Bundesregierung die Verhandlungen jedoch im Alleingang blockieren. Merkels Vorstoß, die Vorbeitrittshilfen der EU an die Türkei – immerhin 4,5 Milliarden Euro bis 2020 – zu kürzen, hat Chancen auf Umsetzung. Weil die Kanzlerin gleichzeitig versichert, die Türkei werde weitere drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe erhalten, ist die Wirkung überschaubar.

Umstritten ist dieser Druck trotzdem. Kurz springt Merkel aber zur Seite: „Ich bin dafür, die Beitrittsverhandlungen abzubrechen. Dann fallen die Beitrittshilfen automatisch weg.“