Berlin. Der „Deutsche Herbst“: 44 bleierne Tage – Rettungsaktion war 1977 der Wendepunkt

Am 18. Oktober 1977, um 00.38 Uhr, meldet der „Deutschlandfunk“ die Befreiung der Geiseln in Mogadischu, nur 26 Minuten nach dem glücklichen Ausgang der Aktion. Noch in der Nacht erfährt es Jan-Carl Raspe, der in Stuttgart-Stammheim einsitzt; unbemerkt von den Wärtern hatte er ein kleines Transistorradio in seiner Zelle. Und er informiert weitere RAF-Gefangene.

Gescheitert ist der Versuch, sie freizupressen, gegen die Geiseln in Mogadischu auszutauschen. Gemeinsam begehen die Terroristen Selbstmord, mit Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader. Irmgard Möller überlebt verletzt. Stunden später wird der entführte Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von seinen Kidnappern erschossen. Seine Leiche wird am 19. Oktober im Kofferraum eines Autos im Elsass gefunden.

1977 erreichte der Terror einen Höhepunkt: Am 7. April war Generalbundesanwalt Siegfried Buback, am 30. Juli Dresdner-Bank-Vorstandssprecher Jürgen Ponto ermordet worden. Am 5. September folgte die Schleyer-Entführung. Die 44 bleiernen Tage bis zur Befreiung der Geiseln in Mogadischu gingen als „Deutscher Herbst“ in die Geschichte ein. 1977 sind nach Angaben des Präsidenten der Bundespolizei, Dieter Romann, neun Menschen durch Terroranschläge gestorben. In dem Jahr werden der RAF 48 Brandanschläge und zwölf bewaffnete Raubüberfälle zugeordnet.

Mogadischu war der Wendepunkt. Der Staat hatte nicht vor, nachzugeben und mit der GSG9 eine Truppe geschaffen, die sich in einer außergewöhnlichen Bedrohungslage bewährt hatte. Für Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) war Mogadischu der „wohl dramatischste Augenblick meines Lebens seit dem Krieg“. Sein Rücktrittsschreiben hatte er offenbar schon im Kopf – für den Fall eines Fiaskos. Schmidt war kein Mann, der Gefühle zeigte – am 18. Oktober 1977 aber konnte er die Tränen nicht zurückhalten. Ex-Justizminister Hans-Jochen Vogel (SPD), der zum Krisenstab gehörte, erinnerte sich noch Jahre später in einer ARD-Dokumentation, es sei fast das einzige Mal gewesen, „dass ich etwas Tränen in seinen Augen gesehen habe.“