Washington. Von dem befürchteten Rückzug aus dem Atomabkommen sieht der US-Präsident aber noch ab. Nun soll der Kongress entscheiden

Fanatische Diktatur. Terror-Sponsor weltweit. Gefährlicher Aggressor. Verursacher von Tod, Zerstörung und Chaos. Verantwortlich für Konflikt und Aufruhr. Unterstützer von Netzwerken wie Al-Qaida bis Taliban: Gemessen an dem, was Donald Trump am Freitag in den ersten Minuten seiner Rede im Weißen Haus über den Iran konzentriert vom Teleprompter ablas, so sagten später Analysten, müsse man sich fragen, ob es auf der Welt „eigentlich noch einen größeren Bösewicht gibt“.

Dem Intro des amerikanischen Präsidenten, der angefangen bei der US-Botschaftsbesetzung 1979 in Teheran nahezu sämtliche Missetaten der islamischen Republik gegen die USA aufzählte, folgte ein vergleichsweise weicher Abschluss: Zum ersten Mal seit Bestehen des 2015 abgeschlossenen Atomabkommens, das den Iran vom Bau einer Nuklear-Waffe fernhalten soll, verweigert der Präsident die alle 90 Tage gegenüber dem Kongress fällige Bestätigung, das sich die umstrittene Hegemonialmacht im Nahen Osten an die Bestimmungen des Abkommens hält. Und dass, obwohl die unter Kontrolle der Atomenergiebehörde in Wien stehende Überwachung bisher keine Verstöße zutage gefördert hat.

Trumps Begründung: Siehe oben. „Der Iran verstößt gegen den Geist des Abkommens.“ Vorgeworfene Tatbestände konkret: Ob in Syrien, im Irak, im Jemen oder im Libanon – überall fördere Teheran nichts als Feindseligkeit und Zwietracht. Aber: Eine formale Aufkündigung des unter seinem Vorgänger Obama unter Mitwirkung von China, Russland, England, Frankreich und Deutschland mit dem Iran initiierten Vertragswerks war Trumps Kampfansage dezidiert nicht. Der Präsident schob die Verantwortung für das weitere Vorgehen an das Parlament ab.

Der Kongress soll unter Ausnutzung eines inner-amerikanischen Gesetzes neue rote Linien ziehen. Außenminister Rex Tillerson sprach von „Trigger-Punkten. Erst wenn diese – etwa der Verzicht auf das Vorantreiben des iranischen Raketenprogramms – ignoriert würden, empfiehlt Trump die Verhängung von Wirtschaftssanktionen. Sollte sich der Kongress nicht auf eine gemeinsame Sprache verständigen können, drohte Trump, werde er im präsidialen Alleingang das Atomabkommen platzen lassen.

Der US-Präsident sieht das Verfahren als Fassade an, hinter der mit fahrlässiger Duldung Amerikas Unheil vorbereitet werde. Danach treibe Teheran seine Aktivitäten unvermindert fort. Unabhängige Kontrolleure würden „eingeschüchtert“. Der Zugang zu sensiblen Militär-Basen bliebe ihnen verwehrt. Weil die Fristen für die atomare „Abstinenz“, zu der sich der Iran 2015 im Gegenzug für den Abbau von Wirtschaftssanktionen verpflichtet hat, weniger als 20 Jahre umfassten, würden die Fähigkeiten des Irans zur Herstellung einer Massenvernichtungswaffe allenfalls „verzögert“. Trump sprach von 100-Jahres-Zeiträumen, die nötig seien und wiederholte sein Mantra: „Der Atom-Deal mit dem Iran gehört zu den schlechtesten Verträgen, die Amerika jemals in seiner Geschichte abgeschlossen hat“.

Gesondert nahm sich Trump die Elite-Truppe der Revolutionsgarden vor, die er als zentrales Instrument der iranischen Destabilisierungspolitik bezeichnet. Über das Finanzministerium sollen schon bald Sanktionen gegen das Firmen-Imperium führender Militärs, die dem obersten Religionsführer Ali Khamenei unterstehen, verhängt werden, die nichts mit dem Atom-Abkommen zu tun haben. Allerdings verzichtete Trump darauf, die Revolutionsgarden offiziell als terroristische Organisation zu qualifizieren.

Welche Wirkung Trumps Frontalangriff gegen die Vorgänger-Regierung und den Iran haben wird, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Die iranische Regierung zeigte sich empört über Trumps „Beleidigungen“. Sie hat mehrfach betont, dass es mit ihr keine Nachverhandlungen über das Abkommen geben wird. Sollten die USA das tun, würden sie vertragsbrüchig und verlören jede Glaubwürdigkeit, sagte Präsident Ruhani.

Auch in London, Paris, Moskau, Peking und Berlin ist bisher keine Bereitschaft zu erkennen, das mit über zehn Jahren Vorlaufzeit geschnürte Paket noch einmal zu öffnen – oder zu ergänzen. Wer diese Idee verfolge, so ein EU-Diplomat, müsse bereit sein, dem Iran weitere Zugeständnisse im Hinblick auf eine wirtschaftliche Öffnung zu machen. „Das kann ja kein Nullsummenspiel werden.“ Vorsorglich zurrte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ihre Linie noch einmal fest und wies die Drohung Trumps zurück, das Atom-Abkommen im Alleingang zu stornieren. „Das ist kein bilaterales Abkommen, es gehört keinem einzelnen Land.“

Noch-Außenminister Sigmar Gabriel sekundierte in Braunschweig: „Das ist ein schwieriges und aus unserer Sicht auch ein gefährliches Signal“, das da von Trump komme. Man bemühe sich um Entspannung und werbe für Kurshalten.

Den Präsidenten ficht das nicht an. Unter seiner Verantwortung werde Amerika sicherstellen, dass der „Iran niemals eine Atombombe haben wird“, betonte er und dokumentierte offen sein Misstrauen gegenüber Teheran. „Die Geschichte hat gezeigt: Je länger wir eine Bedrohung ignorieren, umso größer wird diese Bedrohung.“

Im Kongress in Washington ist noch nicht auszumachen, wie sich die beiden Parteien zu Trumps Initiative verhalten werden. Die Demokraten Chuck Schumer und Ben Cardin warnen vor dem Gang in die Isolation. Die USA dürften nicht das Land sein, das sich von einem Abkommen verabschiede, das die nukleare Bewaffnung Irans verhindere. Jedenfalls solange, wie der Iran keine „Tricksereien“ begehe.

„Wir stünden allein da, wir würden nur Russland und China stärken.“ Bei den Republikanern hatte sich zuletzt Condoleezza Rice, Außenministerin unter George W. Bush, vehement dagegen verwahrt, dass Atom-Abkommen zu zerschreddern. Ihr Nachfolger Rex Tillerson hatte eine Option ins Spiel gebracht, die Trump gar nicht schmecken dürfte: „Der Kongress kann auch gar nichts tun.“