Berlin. Die Elternbeiträge für die Betreuung von unter Dreijährigen haben sich im Bundesdurchschnitt in den letzten Jahren fast verdoppelt

Die deutsche Kita-Landschaft gleicht einer Patchwork-Decke. Für die Eltern bedeutet das: Platzangebot und Betreuungsqualität unterscheiden sich von Stadt zu Stadt, von Kita zu Kita. Das gilt auch für die Elternbeiträge. Die einen zahlen nichts, die anderen mehrere Hundert Euro. Berliner Sozialforscher haben nun ausgerechnet, wie sich die Ausgaben der Eltern für die Kita-Betreuung im bundesweiten Durchschnitt entwickelt haben: Vor allem bei den Kleinen sind die Kosten deutlich gestiegen. Für ein Kind unter drei Jahren zahlten Mütter und Väter im Jahr 2005 durchschnittlich 98 Euro monatlich, zehn Jahre später waren es bereits 171 Euro. Auch die durchschnittlichen Kosten für Kinder über drei Jahre sind gestiegen – zwischen 1996 und 2015 von 71 auf 97 Euro.

Das Ergebnis ist überraschend, denn: Viele Bundesländer und Gemeinden sind seit Jahren dabei, die Eltern Schritt für Schritt von den Kita-Kosten zu befreien. In Hamburg gilt derzeit: Ein Kita-Besuch von bis zu fünf Stunden pro Tag ist von der Geburt bis zur Einschulung beitragsfrei. Eltern, die ihr Kind länger betreuen lassen wollen, müssen Beiträge gestaffelt nach Einkommen, Familiengröße, Alter des Kindes und Betreuungsumfang zahlen. Auch in vielen anderen Bundesländern werden die Kita-Beiträge inzwischen nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt. Einige Länder haben zudem einzelne beitragsfreie Kita-Jahre eingeführt.

Doch die Entlastung greift in vielen Regionen nur bei den letzten Kita-Jahren vor der Einschulung. „Es gibt nur ganz wenige Bundesländer, die auch den U3-Bereich beitragsbefreit anbieten“, erläutert Studienautorin Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Für die Kita-Studie der Berliner Forscher, die dieser Zeitung vorab vorliegt, wurden bundesweite Daten seit 1996 ausgewertet.

Die steigende Beitragslast, gerade bei den unter Dreijährigen, hat noch andere Ursachen. Die Kosten für den massiven Ausbau der Krippenplätze treiben vielerorts die Beiträge in die Höhe. Hinzu kommt: U3-Plätze werden zunehmend vor allem von gut ausgebildeten, einkommensstarken Eltern genutzt – durch die Staffelung nach Einkommen zahlen sie auch mehr. Es sei zudem nicht ausgeschlossen, dass es auch zu Umschichtungen kommt, gibt Spieß zu bedenken. Das hieße: Die Beitragsbefreiung der Eltern mit älteren Kinder geht zu Lasten der Eltern mit jüngeren.

Den größten Teil der steigenden Beitragslast tragen die Familien mit höherem Einkommen. Einkommensschwache und armutsgefährdete Haushalte mit Kita-Kindern zahlten jedoch im Verhältnis zu ihrem Einkommen noch immer nahezu genauso viel wie andere Haushalte, heißt es in der Studie. Einkommensschwächere Familien seien inzwischen zwar weniger belastet als in den vorherigen Jahren, sagt Spieß, für einige dieser Familien bleibe der Kita-Besuch aber durchaus ein Kostenfaktor. „Deshalb sollten insbesondere diese Gruppen auch künftig stärker entlastet werden.“

Falsch finden es die Forscher, den Kita-Besuch für alle Eltern komplett kostenfrei stellen – wie es Rheinland-Pfalz und ab 2018 auch Berlin tun. Das Argument dagegen: Eltern aus oberen Einkommensgruppen seien durchaus bereit, einen eigenen Beitrag für gute Betreuung zu leisten. „Wir können sogar feststellen, dass Haushalte in höheren Einkommensgruppen bereit sind, noch mehr zu zahlen, insbesondere dann, wenn die Qualität steigt“, sagt Spieß. Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung aus dem vergangenen Jahr belegt das: Die große Mehrheit der Mütter und Väter fordert demnach bundeseinheitliche Standards beim Personal und bei der Verpflegung. Jeder zweite wäre bereit, dafür höhere Elternbeiträge zu bezahlen. Kostenfreie Kitas für alle, das zeigt auch die Bertelsmann-Umfrage, sind vielen Eltern gar nicht so wichtig.

Im letzten Jahr zahlten laut Stiftung bundesweit acht von zehn Eltern Kita-Gebühren. 52 Prozent der Mütter und Väter finden diese Gebühren angemessen, 48 Prozent sagen, dass sie für bessere Kitas sogar tiefer in die Tasche greifen würden. Selbst bei denen, die heute schon keine Gebühren zahlen, würde jeder Zweite wieder damit anfangen, um die Qualität zu verbessern.

Eltern wünschen sich staatliche Qualitätsstandards

Seit Jahren fordern Experten einheitliche Mindeststandards für alle deutschen Kitas. Doch ein Qualitätsgesetz scheiterte lange Zeit am Widerstand der Länder. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Länder stemmen bereits die Hauptlast beim Kita-Ausbau und fürchten weitere Kosten. Daneben kämpfen sie mit regional sehr unterschiedlichen Qualitätsproblemen und tun sich schwer mit einheitlichen Standards. Der einen Kita fehlen die Räume, der anderen die Erzieher, der dritten beides.

Die damalige SPD-Familienministerin Manuela Schwesig hatte sich im Mai mit den Ländern auf Eckpunkte für ein Kita-Qualitätsgesetz geeinigt: Die Länder sollen selbst entscheiden, ob sie die Bundesmittel für mehr Personal, die Erweiterung der Öffnungszeiten, die Qualifizierung der Fachkräfte oder eine Beitragsentlastung der Eltern ausgeben. Ob sich die nächste Regierung daran gebunden fühlt, ist offen.

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