Berlin.

Als sie angreifen, geht plötzlich das Licht aus. Computerbildschirme flackern, Messgeräte fallen aus. Ärzte und Krankenschwestern haben keinen Zugriff mehr auf die Daten ihrer Patienten. Operieren ist nahezu unmöglich. Ein Angriff auf die digitale Infrastruktur in Krankenhäusern klingt wie ein Horrorszenario aus einem Science-Fiction-Film.

Doch dass aus Fiktion Realität werden kann, zeigte ein groß angelegter Cyberangriff vor wenigen Monaten. Betroffen waren vor allem Kliniken in Großbritannien. Ein Computervirus legte landesweit etliche Einrichtungen lahm, Erpressersoftware kursierte. Weltweit fanden die Attacken statt, auch in Spanien oder Asien waren etliche Unternehmen und öffentliche Einrichtungen betroffen. Bis heute ist nicht klar, wer hinter „Wannacry“, so hieß der Virus, steckt. In Deutschland wurde bisher noch kein massiver Cyber-Angriff gemeldet. Attacken wie die auf das Computersystem des Lukaskrankenhauses im rheinländischen Neuss im vergangenen Jahr sind noch die Ausnahme. Der großen Gefahr aus dem Cyber-Space sind sich aber sowohl Wirtschaft als auch Politik bewusst. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Beratungshauses Deloitte.

Die Sicherheit im digitalen Raum zählt für Unternehmen, aber auch für Kliniken, für Stromversorger oder die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel heute zu den „Top-Prioritäten“, heißt es dort. Grund zur Sorge bereitet vor allem die gestiegene Zahl der Angriffe. Die Befragten melden mehrere Hunderttausend Attacken, manchmal täglich oder innerhalb weniger Tage. Ein Großteil der Attacken sei nicht zurückzuverfolgen, sagt Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach. Das bedeutet: Diejenigen, die hinter der Attacke stecken, können nicht dingfest gemacht werden. Das Meinungsforschungsinstitut hat gemeinsam mit Deloitte für die Studie rund 500 Führungskräfte aus der Wirtschaft sowie Abgeordnete aus Länderparlamenten, dem Bundestag und dem Europaparlament befragt.

Die Firmen sorgen sich um ihre interne IT-Sicherheit – und damit um ihre Geschäfte. Vor allem Großunternehmen mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatz sehen sich in Gefahr. Laut einer Erhebung von Ernst & Young haben 57 Prozent der Befragten konkrete Angriffe festgestellt. Gut drei von fünf Befragten bewerteten das Risiko, Opfer von Spionage und Cyber-Angriffen zu werden, als eher hoch oder sehr hoch. Vor zwei Jahren lag der Anteil noch bei 34 Prozent.

Aber auch jeder einzelne Verbraucher ist zunehmend betroffen. Computerviren hacken das private E-Mail-Konto, Datenbetrug im Netz nimmt zu. Ein Großteil der Bevölkerung geht davon aus, dass ihre persönlichen Daten, die sie im Netz preisgeben, missbraucht werden können.

Ist Deutschland gut aufgestellt? Die Skepsis vor allem gegenüber staatlichen Einrichtungen wie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ist groß. Mehr als 70 Prozent der Führungskräfte in Unternehmen glauben nicht, dass staatliche Stellen bei der IT-Sicherheit gut vorbereitet sind. Meinungsforscherin Köcher geht davon aus, dass die Skepsis noch größer werden wird. Spätestens bei einer großen Attacke auf das Netz eines Stromanbieters oder auf medizinische Einrichtungen.

Der Schutz der Bevölkerung ist
Aufgabe des Staates. Das gilt auch für Angriffe aus dem Cyber-Space. Der Grünen-Abgeordnete und IT-Sicherheits­experte Konstantin von Notz hält die Integrität der IT-Sicherheitsstruktur für eine Schlüsselfrage der inneren und
äußeren Sicherheit. Für ihn hat „der Staat die verfassungsrechtliche Pflicht, die zentrale öffentliche Infrastruktur Internet aktiv zu schützen“. „Verteidigung ist im Cyber-Raum die beste Verteidigung“, sagt von Notz. Der Staat müsse Teil der Lösung sein und dürfe nicht zum Beispiel durch das Ankaufen und Horten von Sicherheitslücken Teil der derzeit massiven Sicherheitsprobleme sein.

Die Studienautoren plädieren für eine zentrale Anlaufstelle, die alle Zuständigkeiten bündelt und schnell reagieren kann. Doch so sehr sich Wirtschaft und Politik bemühen werden, einen wirksamen und absolut sicheren Schutz vor Angriffen aus dem Cyber-Space wird es wohl nicht geben. Auch darin sind sich die Experten einig.