Berlin. Partei-Vize Weber wirft designiertem Bundestagspräsidenten Schäuble vor, die Union zu entzweien

Die Spitzen der Unionsparteien werden am Sonntag erstmals versuchen, eine gemeinsame Linie für die angestrebte Bildung einer Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP abzustecken. Noch gibt es zwischen CDU und CSU unterschiedliche Akzente vor allem bei der Frage um eine Obergrenze für Flüchtlinge. Der designierte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der „Bild am Sonntag“, eine Obergrenze müsse im Koalitionsvertrag nicht aufgenommen werden. „Juristen wissen, dass überflüssige Dinge nicht extra erwähnt werden müssen.“ Der Konflikt sei ein Scheinstreit, da es inhaltlich keine wirklichen Differenzen gebe. Neben der CDU lehnen auch Grüne und FDP eine Obergrenze ab. Der stellvertretende CSU- Vorsitzende und Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, widerspricht Schäuble im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Weber, vor den eigentlichen Koalitionssondierungen wollen die Unionsparteien zu einer gemeinsamen Position finden. Ist die Obergrenze für Flüchtlinge dabei eine unverzichtbare Forderung der CSU? CDU-Grande Wolfgang Schäuble nannte sie jetzt „überflüssig“ ...

Manfred Weber: Ich bin überrascht, dass Wolfgang Schäuble jetzt nochmals nachlegt und die Union entzweit. Eine wirksame und kontrollierte Begrenzung der Zuwanderung ist unabdingbar. Das bestreitet auch Wolfgang Schäuble nicht. Die Menschen erwarten von der künftigen Bundesregierung den Beweis, dass sie es damit ernst nimmt und garantiert, dass sich 2015 nicht wiederholen kann. Deshalb wird die CSU bei der Obergrenze nicht wackeln.

Eine Obergrenze ist kein Allheilmittel.

Es geht um mehr in der Migrationspolitik. Deutschland muss sich stärker für die Afrika-Partnerschaft engagieren oder mehr zum Außengrenzenschutz beitragen. Genauso müssen Abschiebungen von Migranten ohne Bleiberecht deutlich beschleunigt werden. Wir sollten den Vereinten Nationen und der EU fixe Kontingente in der Flüchtlingspolitik anbieten. Das ist der einzige vernünftige Weg für die Zukunft.

Kann eine Jamaika-Koalition gelingen, wenn die Union auf einer Obergrenze
beharrt und auch sonst einen Kurs
Mitte-rechts einschlägt? Oder setzen Sie auf die Rückkehr der SPD an den Verhandlungstisch – möglicherweise mit einem neuen Parteichef?

Das Verhalten der SPD ist einer ehemals großen Volkspartei unwürdig. Man kann sich doch nicht schon vor Verhandlungen kategorisch um die Verantwortung drücken.

Ich bin überzeugt, dass die möglichen Jamaika-Partner Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Das gilt auch für die Begrenzung der Zuwanderung. Jamaika ist ganz bestimmt keine Wunschkonstellation. Es bietet aber die Chance, eine neue bürgerliche Politik durchzusetzen.

In welcher Rolle kann Horst Seehofer der CSU in dieser Situation am besten helfen: als Parteichef und Spitzenkandidat für die Bayern-Wahl im kommenden Jahr – oder am Kabinettstisch von Angela Merkel in Berlin?

Das ist eine leidige und unsinnige Debatte. Horst Seehofer ist CSU-Parteichef und Ministerpräsident und wird es auch bleiben. Er ist derjenige, der unser Programm am besten in Berlin durchsetzen kann und auch derjenige, der die Kräfte der CSU am besten bündelt. Die CSU ist jetzt in der Pflicht, für die Landtagswahl einen mutigen Zukunftskurs zu beschreiben. Bayern hat eine hervorragende Staatsregierung, den Menschen dort geht es unter dem Strich besser als dem Rest in Deutschland und die Weiterentwicklung dieser bayerischen Erfolgsstory steht nächstes Jahr zur Wahl.