Washington.

Was Stephen Paddock zum schlimmsten Massaker in der jüngeren US-amerikanischen Geschichte getrieben hat, bleibt ein Mysterium. Obwohl der Nachname schillernd ist. Vater Benjamin Hoskins Paddock war ein psychopathischer Bankräuber. Ende der 60er-Jahre stand er nach einem Gefängnisausbruch auf der FBI-Liste der meistgesuchten Verbrecher.

Von Stephens Bruder Eric weiß man, dass es sich bei dem pensionierten Buchhalter um einen „weder politischen noch religiösen“ Hochrisiko-Spieler und zurückgezogen lebenden Countrymusik-Fan gehandelt haben soll. Einmal gewann Paddock, der es durch Immobiliengeschäfte in Texas zum Multimillionär brachte, beim Video-Poker 250.000 Dollar. Trotz Waffen- und Jagdschein will Eric Paddock seinen Bruder nie als schießwütig oder gewalttätig erlebt haben. Stephen Paddock fuhr oft 130 Kilometer aus dem bei Ruheständlern beliebten Örtchen Mesquite an der Grenze zu Arizona ins Spielerparadies Las Vegas.

Stephen Paddocks Haus in Mesquite bezeichnet die dortige Polizei als „normal, aufgeräumt und sauber“. Nachbarn beschrieben den Todesschützen als „unauffälligen, wortkargen Einzelgänger“. Der 64-Jährige, zweimal geschieden, kinderlos, besaß ein zweites Anwesen im Norden von Nevada nahe der anderen Spielerstadt Reno. Das Verhältnis in der Familie war abgekühlt. „Wir sprachen nicht viel“, sagte Eric Paddock, einer von drei Brüdern. Der letzte Kontakt habe sich nach Hurrikan „Irma“ ergeben. Stephen Paddock soll sich per Textmitteilung nach seiner 89 Jahre alten Mutter erkundigt haben, die in Florida lebt. Er schickte ihr eine Gehhilfe.

Dass Paddock ein Doppelleben geführt haben muss, ergibt sich aus den Funden der Polizei. In seinem Zimmer im „Mandalay Bay“-Hotel fand das Sondereinsatzteam neben der Leiche
23 Feuerwaffen und massenweise Munition. Einige der Schnellfeuer-Gewehre (Typ AR-15) seien halbautomatisch
gewesen, andere waren illegal zu vollautomatischen Killermaschinen umgerüstet.

In seinem Haus in Mesquite fanden sich weitere 19 Feuerwaffen, und ebenfalls mehrere Tausend Schuss Munition. In seinem Auto war Ammoniumnitrat gelagert; Grundsubstanz für den Bau von Bomben. Sämtliche Waffen erwarb Paddock nach bisherigem Stand der Ermittlungen auf rechtmäßigem Weg. Waffenhändler erklärten, dass der Kunde Paddock alle bürokratischen Hürden vor dem Kauf ohne Beanstandung genommen habe. Weder gibt es laut Polizei ein Bekennerschreiben, noch hat der Rentner in sozialen Netzwerken oder gegenüber Freunden Signale hinterlassen. Weil Hinweise auf eine Radikalisierung bisher nicht vorliegen, haben FBI und andere Sicherheitsorgane die Selbstbezichtigung der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) als Trittbrettfahrerei verworfen. Stephen Paddock hat keine Polizei-Biografie. Bis auf ein Jahre zurückliegendes „Knöllchen“ gibt es in sämtlichen Dateien der Sicherheitsbehörden keinen Eintrag. Die Hoffnungen der Fahnder ruhen auf Marilou Danley. Die 62-jährige Lebensgefährtin des Todesschützen hielt sich zur Tatzeit in Asien auf. Ihre Rückkehr wird sehnlich erwartet. Sie habe mit dem Massenmord nichts zu tun, sagt das FBI. Aber vielleicht weiß sie, was in seinem Kopf vorgegangen sein könnte.