Berlin.

Die Stellenbeschreibung verlangt einiges: Wortgewandt soll der Bewerber sein. Dazu mit allen parlamentarischen Wassern gewaschen und bereit, auch mal eine Nachtsitzung vor spärlich besetzten Reihen zu leiten. Und: Er oder sie sollte in der Lage sein, ein Parlament zu leiten, in dem mehr als 90 Abgeordnete der AfD das Ziel verfolgen werden, als Fundamentalopposition gehört zu werden. Noch ist offen, wer nächster Präsident des Bundestags wird – und die Entscheidung über das zweithöchste Staatsamt ist diesmal so spannend wie selten.

Üblicherweise kommt der Bundestagspräsident aus den Reihen der größten Fraktion. Weil Norbert Lammert (CDU), der über alle Fraktionen hinweg geschätzte letzte Parlamentschef, nicht mehr für den Bundestag kandidiert hat, ist das Amt nun frei. Viele halten derzeit Wolfgang Schäuble für die Idealbesetzung. Der 75-jährige Finanzminister hat mehr parlamentarische Erfahrung als alle anderen: Er sitzt seit 45 Jahren im Bundestag und hat gerade erst wieder sein Direktmandat im Wahlkreis Offenburg mit fast 50 Prozent der Erststimmen verteidigt.

Für Schäuble spricht auch sein Ruf, ein unabhängiger, eigenwilliger Kopf zu sein, der seinen scharfen Verstand nicht versteckt, austeilen kann, aber nicht humorlos ist. Der dienstälteste Abgeordnete dürfte aber auch aus einem anderen Grund viel Zustimmung bekommen: Wer mit den Griechen verhandeln kann, so glauben viele, lässt sich von den Provokationen der AfDler nicht einschüchtern. „Angesichts der neuen Situation im Parlament wäre Wolfgang Schäuble in jeder Beziehung genau die parlamentarische Autorität, die uns jetzt im Reichstag guttäte“, sagte CDU-Innenexperte Armin Schuster.

Zuvor hatte bereits der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) Schäuble als neuen Bundestagspräsidenten ins Spiel gebracht. „Wenn Kanzlerin Angela Merkel und Schäuble sich einig sind, wäre er der ideale Kandidat für das Amt des Bundestagspräsidenten“, hatte er der „Stuttgarter Zeitung“ gesagt. Schäuble selbst hat sich bislang nicht geäußert. Am Rande der ersten Sitzung der neuen Unionsfraktion im Parlament hieß es am Dienstag, Kanzlerin Angela Merkel wolle Schäuble persönlich von dem Wechsel überzeugen.

Als dienstältester Abgeordneter wird er aber mindestens die erste Sitzung des neuen Bundestags als Alterspräsident eröffnen. Nach einer kurzfristigen Änderung der Geschäftsordnung im Sommer ist nicht mehr der an Lebensjahren älteste Abgeordnete automatisch Alterspräsident, sondern derjenige, der dem Parlament am längsten angehört. Ohne die Änderung hätte ein AfD-Abgeordneter Alterspräsident werden können.

Neben Schäuble werden auch Gröhe und de Maizière genannt

Für den Fall jedoch, dass Schäuble ablehnt, werden weitere Namen genannt – darunter auch Innenminister Thomas de Maizière und Gesundheitsminister Hermann Gröhe. Über Letzteren hieß es jedoch immer wieder, er sei mit 56 Jahren erstens zu jung und wolle zweitens sehr gern Minister bleiben. In de Maizières Fall dagegen sieht die Lage anders aus. Sollte Joachim Herrmann (CSU) Innenminister werden, wäre er frei – und das Parlamentsamt eine attraktive Lösung. Möglich, dass es am Ende jedoch keiner der drei wird, sondern eine Frau - etwa Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl tritt der neue Bundestag zusammen. Das schreibt das Grundgesetz vor. Die konstituierende Sitzung muss daher spätestens am 24. Oktober stattfinden, an diesem Tag muss auch der Parlamentspräsident gewählt werden. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass so frühzeitig bereits die künftige Regierungskoalition feststeht, ist die Festlegung auf einen Kandidaten für das Amt des Bundestagspräsidenten nicht ohne Risiko. Heißt: Die Union muss ihre Entscheidung treffen, ohne genau zu wissen, wer am Ende im Kabinett sitzen kann.