WÜrselen. Viele russische Accounts beteiligt

Wahlabend, 18.00 Uhr, im Würselener Rathaus wird die Prognose für die Bundestagswahl bekannt. Weniger als 30 Leute sind da, keiner redet, die Stimmung in der Heimatstadt von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ist gedrückt. Von draußen dringt Schlagermusik und Gelächter herein, nicht etwa von der SPD-Wahlparty, sondern vom Würselener Oktoberfest. Drinnen gibt es nicht viel zu feiern. Aus ist der Traum von der „Kanzlerstadt“.

Als einen „Mann aus Würselen, ja, aus Würselen, meiner Heimat, aus einfachen Verhältnissen“, hatte sich Schulz im Wahlkampf präsentiert. Würselen, dieses Wort fehlte wohl in keiner Schulz-Rede. In der Stadt bei Aachen stand er als Jugendlicher als Linksverteidiger auf dem Fußballplatz, dort besiegte er einst seine Alkoholsucht, gründete 1982 eine eigene Buchhandlung. In Würselen war er elf Jahre lang Bürgermeister. So stolz wie Schulz auf sein Heimatstädtchen ist, so stolz sind seine Freunde von früher auf ihren Martin. „Wir sind wahrscheinlich so stolz wie niemand anders“, sagte Stephanie Küppers, die Vorsitzende des SPD-Ortsvereins in Würselen, kurz vor der Wahl. Stolz ist man am Wahlabend auch noch. Aber auch ein bisschen wehmütig. Die Würselener hatten auf Martin Schulz gehofft. Eigentlich fast bis zuletzt. „Ich hoffe, dass die Prognosen Prognosen bleiben“, sagt SPD-Bürgermeister Arno Nelles.

19.00 Uhr, die Zahlen aus dem Würselener Wahlbüro Kindergarten St. Balbina sind da. Hier hat die SPD über 43 Prozent geholt. Blickt man eine Leinwand weiter, verschwindet das Lächeln schnell aus den Gesichtern der Genossen. Bundesweit sind es weniger als halb so viele Prozentpunkte. Seit der Nachkriegszeit hat die SPD niemals so schlecht abgeschnitten. Trotz Schulz, nicht wegen Schulz, ist man sich einig.

„Liebe Genossinnen und Genossen“, hört und sieht man jetzt Schulz persönlich auf der Leinwand. Auf dem Bildschirm jubelt das Publikum, die Zuschauer in Würselen jubeln nicht. Trotzdem zaubert Schulz in manches Gesicht ein Lächeln. Daraus spricht eine Mischung aus Stolz und Hoffnung, aber auch eine Portion Wehmut.