Kiel/Hannover. Verluste für die CDU im „Jamaika“-Bundesland Schleswig-Holstein. FDP legt in Niedersachsen deutlich zu, aber nicht so stark wie im Bund

Von Schleswig-Holstein lernen heißt Koalieren lernen: In Berlin sah man am Wahlabend nach Kiel. Dort regiert derzeit die deutschlandweit einzige Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Auch in Berlin gibt es nun für eine solche Koalition kaum eine Alternative. Das war am Sonntag relativ früh klar. Unklar blieb hingegen: Wie haben die Schleswig-Holsteiner abgestimmt? Und wie die Niedersachsen, die in drei Wochen erneut wählen werden – dann den Landtag? Offenbar haben auch im Norden die Großen verloren – und die Kleinen verloren.

Abschließende Zahlen lagen bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor. Nach der Auszählung von acht der elf Wahlbezirke lag die CDU bei einem Zweitstimmenanteil von 34,2 Prozent (2013: 39,2), die SPD kam auf 23,1 Prozent (31,5), die Grünen auf 12,0 Prozent (9,4). Die FDP kam auf 13,0 Prozent (5,6), die Linke bekam 7,0 Prozent (5,2), die AfD erhielt 8,3 Prozent (4,6). Die schleswig-holsteinischen Politiker befassten sich am Wahlabend intensiv mit der Frage, ob es eine Jamaika-Koalition auch in Berlin geben solle. Daniel Günther (CDU), der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, bekannte: „In einer Koalition sind drei Parteien immer schwieriger als zwei.“ Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel könne es gelingen, ein solches Bündnis zusammenzuführen. Eine direkte Empfehlung war das nicht.

Mit Sorge betrachtet Günther einen denkbaren Wechsel von Umweltminister Robert Habeck (Grüne) nach Berlin. Bei möglichen Jamaika-Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene werde Habeck eine Rolle spielen. „Daran habe ich keinen Zweifel“, sagte der Ministerpräsident.

Für die schleswig-holsteinische SPD war es nach der verlorenen Landtagswahl im Mai schon der zweite Rückschlag. „Klar ist: Nach dieser deutlichen Wahlniederlage heißt der Wählerauftrag Opposition – ohne Hintertür“, sagte der Landesvorsitzende Ralf Stegner. „Wenn wir trotz guter Arbeit unserer Kabinettsmitglieder erneut mit einem schlechteren Ergebnis aus der Großen Koalition gehen, als wir reingegangen sind, dann spricht das nicht für die Fortsetzung einer Koalition mit der Union.“ Die programmatischen und strukturellen Konsequenzen für die SPD müssten in aller Ruhe in den Parteigremien besprochen werden.

Doch nicht jedem Sozialdemokraten ist nach diesem Ergebnis nach Ruhe zumute. Frank Nägele, Mitglied im SPD-Landesvorstand, fordert: „Wir brauchen eine personelle Erneuerung auf allen Ebenen. Klar ist: Die SPD verliert, wenn sie nach links rückt.“

Bei der FDP war die Begeisterung über das Wahlergebnis groß. Schleswig-Holsteins FDP-Landeschef Heiner Garg sprach von einem herausragenden Ereignis: „Nach vier schwierigen Jahren in der außerparlamentarischen Opposition haben wir heute den schwierigsten Wahlkampf in der Geschichte der Partei mit einem großartigen Erfolg beendet.“ Der Erfolg bedeutet auch: Der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki wechselt nach Berlin.

Die Grünen freuten sich über ihr Ergebnis. Kiels Landwirtschaftsminister Robert Habeck sagte mit Blick auf den Bundestag: „Wir gehen gestärkt aus der Wahl hervor. Wir sollten uns jetzt trauen, ,Jamaika‘ ernsthaft zu sondieren.“

Auch die AfD feierte. Schleswig-Holsteins Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein sagte: „Ich bin zufrieden.“ Eigentlich habe sie sogar auf ein noch höheres Ergebnis gehofft.

In Niedersachsen hat die SPD bei der Bundestagswahl besser abgeschnitten als im Bund, aber dennoch deutlich verloren. Die Partei kam nach der Auszählung von 28 der 30 Wahlkreise auf 27,3 Prozent. Vor vier Jahren waren es noch 33,1 Prozent. Die CDU lag bei 35,0 Prozent, 2013 waren es 41,5 Prozent. Die Grünen erhielten 8,8 Prozent, 2013 waren es 8,8. Die FDP kam auf 9,3 Prozent (4,2). Die AfD landete bei 9,0 Prozent und somit deutlich unter dem Bundesschnitt. Die Linke kam auf 7,0 Prozent (5,0).

Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte: „Die SPD kann aus diesem Ergebnis keinen Regierungsauftrag ableiten.“ Sie müsse aufrecht in die Opposition gehen und dort ihren Beitrag für die Demokratie leisten. „Für die niedersächsische SPD ist dieses Ergebnis eine zusätzliche Motivation. Wir wissen, dass der Ausgang der Landtagswahlen am 15. Oktober offen ist.“

CDU-Landeschef Bernd Althusmann sagte mit Blick auf die Landtagswahl in drei Wochen: „Man hätte sich sicherlich ein bisschen mehr Rückenwind erhofft, aber es ist ja keineswegs ausgeschlossen, dass wir in den nächsten Wochen noch ein bisschen zulegen können.“