Washington/Seoul.

Nach der Entsendung mehrerer Langstreckenbomber und Kampfjets der USA in den internationalen Luftraum östlich von Nordkorea werden die verbalen Angriffe zwischen beiden Ländern heftiger. US-Präsident Donald Trump verhöhnte den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-un erneut als „kleinen Raketenmann“ und konterte damit jüngsten Angriffsdrohungen aus Pjöngjang. Die Führung Nordkoreas mobilisierte Zehntausende Bürger in Pjöngjang zu einer Kundgebung gegen die USA.

„Ich habe gerade den Außenminister von Nordkorea bei der UN sprechen hören. Wenn er die Gedanken des kleinen Raketenmannes wiederholt, werden sie nicht mehr lange hier sein!“ schrieb Trump im Kurznachrichtendienst Twitter. Er hatte Kim bereits am Dienstag vor der UN-Vollversammlung als „Raketenmann auf einer selbstmörderischen Mission“ bezeichnet.

Nordkoreas Außenminister Ri Yong-ho hatte in seiner Rede bei der UN-Generaldebatte am Sonnabend gedroht, „der Besuch“ nordkoreanischer Raketen „im gesamten US-Festland“ sei „unvermeidlich geworden“. Sein Land werde „erbarmungslose, präventive Schritte“ ergreifen, wenn die USA versuchten, das Hauptquartier in Pjöngjang oder das Militär Nordkoreas zu „köpfen“.

In seiner Ansprache konterte Ri die harte Rhetorik Trumps mit ähnlich scharfen Tönen. „Niemand außer Trump selbst ist auf einer selbstmörderischen Mission“, sagte Ri. Nordkorea befinde sich auf dem Weg zu einer Nuklearmacht und handle dabei auch „verantwortlich“. Diesen Status sowie die Fähigkeit eines atomaren Angriffs müsse sich das kommunistisch regierte Land von keinem anderen Staat bescheinigen lassen. „Unser letztes Ziel ist, mit den USA eine Machtbalance herzustellen“, sagte Ri, der die jüngsten Resolutionen des UN-Sicherheitsrats mit verschärften Sanktionen gegen Nordkorea als „ungerecht“ kritisierte.

Es sei das erste Mal, dass amerikanische Kampfflugzeuge oder Bomber so weit nördlich der entmilitarisierten Zone vor der nordkoreanischen Küste geflogen seien, berichtete das Pentagon. Die Bomber des Typs B-1B waren von der Pazifikinsel Guam gestartet. Das unterstreiche, wie ernst die USA das „verwegene Verhalten“ Pjöngjangs nähmen. „Die Mission ist eine Demonstration amerikanischer Entschlossenheit und eine klare Botschaft, dass der Präsident (Donald Trump) viele militärische Optionen hat, jeder Bedrohung zu begegnen“, hieß es.

Nach einer gemeinsamen Umfrage des amerikanischen Fernsehsenders ABC und der Zeitung „Washington Post“ vertrauen 72 Prozent der Amerikaner eher der Führung des US-Militärs als Präsident Trump, mit dem Nordkorea-Konflikt verantwortungsvoll umzugehen. Lediglich acht Prozent der Befragten trauen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ein verantwortungsvolles Handeln zu. Befragt wurden zwischen dem 18. und dem 21. September 1000 Amerikaner. Die Umfrage fiel damit zeitlich zusammen mit der Rede Trumps vor den UN.

Russland fürchtet völlig unvorhersehbare Lage

Nach Einschätzung der russischen Regierung haben die Raketen- und Atomtests Nordkoreas bereits eine abschreckende Wirkung. „Die Amerikaner werden Nordkorea nicht angreifen, weil sie genau wissen, dass diese eine Atombombe haben“, sagte Außenminister Sergej Lawrow dem russischen Fernsehsender NTW am Sonntag. Sollten die USA dennoch angreifen, könne dies zu einer völlig unvorhersehbaren Lage führen, warnte der Chefdiplomat.

Der Konflikt zwischen Nordkorea und den USA über die Raketen- und Nukleartests von Pjöngjang hatte sich am Freitag zugespitzt. Als Reaktion auf kriegerische Töne von Trump vor der UN-Vollversammlung erklärte Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un: „Ich werde den geisteskranken, dementen US-Greis gewiss und auf jeden Fall mit Feuer bändigen.“

Bei der Kundgebung auf dem Kim-Il-sung-Platz in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang hätten sich mehr als 100.000 Menschen aus allen Gesellschaftsschichten „in dem vollen Geist versammelt, die Feinde auszulöschen“, berichteten die Staatsmedien am Sonntag. Alle Parteimitglieder und Bürger von Pjöngjang seien entschlossen, „die US-Imperialisten, den eingeschworenen Feind, vollständig von der Erde zu beseitigen“, rief demnach der Vizevorsitzende des Stadtkomitees der herrschenden Arbeiterpartei, Choe Hak Chol, als einer von mehreren Rednern der Menge zu. Solche Massenkundgebungen sind in Nordkorea nicht unüblich, um die Unterstützung der Bürger für die Politik der Regierung zu demonstrieren.

Am Sonnabend hatte ein Erdbeben in der Nähe des Atomtestgeländes in Nordkorea die Befürchtung ausgelöst, das Land könnte möglicherweise einen neuen Waffentest unternommen haben. Südkoreanische Experten erklärten jedoch, es habe sich um ein „natürliches Beben“ der Stärke 3,2 gehandelt, nicht um einen Atomtest.