Berlin.

Lange schien das Thema Rente im Bundestagswahlkampf eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, doch in den vergangenen Wochen hat sich das Bild geändert: Kaum eine Fernsehrunde, in der besorgte Bürger die Spitzenkandidaten nicht mit Fragen zur drohenden Altersarmut konfrontieren. Kaum eine Diskussion am Wahlkampfstand, in der die Zukunft der Rente nicht zur Sprache kommt. Auch beim TV-Duell von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD) wurde das Thema Alterssicherung diskutiert – am Ende waren sich beide einig, dass eine weitere Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre nicht infrage kommt.

Im Endspurt sucht Schulz jetzt die große Konfrontation mit Merkel in der Rentenpolitik. Zu Recht? Was planen die Parteien für die Zukunft der Alterssicherung? Wie lässt sich Altersarmut vermeiden? Brauchen wir mehr private Vorsorge, wann dürfen wir in den Ruhestand gehen? Ein Überblick über die Positionen:

Für die Union gilt bei der Rente vor allem: Kurs halten. Die gesetzliche Rente soll zentraler Pfeiler der Altersvorsorge bleiben, daneben haben Betriebsrenten und die private Vorsorge große Bedeutung. Aktuellen Handlungsbedarf sehen CDU und CSU aber nicht, die notwendigen Reformschritte seien bis 2030 gemacht – was mit Rücksicht auf die Beitragszahler auch beinhaltet, dass das Rentenniveau für künftige Neurentner weiter sinken könnte. Für die Weiterentwicklung der Rente nach 2030 schlägt die Union die Einsetzung einer Kommission nach der Bundestagswahl vor: Sie soll bis Ende 2019 Vorschläge machen für einen parteiübergreifenden, gesellschaftlichen Konsens unter Einbeziehung von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Die CSU fordert darüber hinaus aber eine weitere Anhebung der Mütterrente für Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben – ein Vorhaben, das jedoch von der Schwesterpartei CDU nicht unterstützt wird.

Die SPD will die Rentenreformen des vergangenen Jahrzehnts an entscheidenden Punkten korrigieren: Das gesetzliche Rentenniveau, das eigentlich bis 2030 auf bis zu 43 Prozent des Durchschnittslohns sinken könnte, soll beim heutigen Stand von 48 Prozent gesichert werden. Dennoch soll der Rentenbeitragssatz von heute 18,7 Prozent nicht über die bisher schon festgeschriebenen 22 Prozent steigen. Diese „doppelte Haltelinie“ soll ab Mitte des kommenden Jahrzehnts auch aus Steuermitteln, dem sogenannten Demografiezuschuss, finanziert werden. Weitere Punkte des „erneuerten Generationenvertrags“, den Kanzlerkandidat Schulz abschließen will: Eine Solidarrente für langjährig Versicherte, die ein Mindestniveau von zehn Prozent über der Sozialhilfe garantiert, eine Einbeziehung von Selbstständigen in die Rentenversicherung und eine attraktivere Riester-Rente. Eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze über die beschlossenen 67 Jahre hinaus lehnt die SPD ab.

Die Grünen wollen wie die SPD das Rentenniveau auf dem heutigen Stand von 48 Prozent stabilisieren. Zugleich sollen auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete in die Rentenversicherung einbezogen werden, um die Finanzierungsbasis zu verbreitern. Für langjährig Versicherte soll es eine steuerfinanzierte Garantierente oberhalb des Sozialhilfesatzes geben, eine genaue Höhe nennen die Grünen aber nicht. Als Alternative zu den bisherigen privaten Vorsorgeangeboten schlägt die Partei einen öffentlichen Bürgerfonds vor, in dem sowohl betriebliche wie private Einzahlungen mit nur geringen Verwaltungsgebühren sicher angelegt würden; da überteuerte Gebühren wegfielen, würde sich die Vorsorge mehr lohnen. Generelles Ziel der Grünen ist es, die Rente auf dem bestehenden Drei-Säulen-Modell verlässlich, nachhaltig und generationengerecht zu sichern. An der Rente mit 67 Jahren halten die Grünen fest, planen aber ab 60 Jahren flexible Modelle mit Teilzeitanspruch.

Die Linkewill eine grundsätzliche Umkehr in der Rentenpolitik: Die Rente soll im Alter wieder den Lebensstandard sichern, deshalb soll das Rentenniveau sofort wieder von 48 auf 53 Prozent erhöht werden. Bei Bedarf soll – nach Einkommens- und Vermögensprüfung – eine solidarische Mindestrente von 1050 Euro monatlich gezahlt werden. Die Riester-Rente soll in die gesetzliche Versicherung überführt werden.

Die Linke fordert, die beschlossene schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre wieder zurückzunehmen: „Arbeiten bis zum Umfallen“ sei unwürdig und nicht akzeptabel. Zunächst soll das Renteneintrittsalter wieder bei 65 Jahren liegen, in der Perspektive verspricht die Partei sogar die Rente ab 60 für alle. Wie die Grünen plädiert auch die Linke dafür, Freiberufler, Selbstständige, Beamte und Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.

Die FDP will bei Altersvorsorge und Ruhestand vor allem mehr Flexibilität ermöglichen. Die starren Altersgrenzen sollen entfallen, weil sie den verschiedenen Lebensentwürfen nicht mehr gerecht würden. Stattdessen soll gelten: „Ab 60 entscheidet jeder selbst, wann er in Rente geht.“ Wer früher ausscheide, bekomme eine geringere, wer später gehe, eine höhere Rente. Das Rentenniveau soll an die durchschnittliche Lebenserwartung der jeweiligen Generation angepasst werden. Betriebliche und private Altersvorsorge sollen attraktiver werden, die Versicherer sollen das Geld zum Beispiel auch in Infrastruktur oder Unternehmensbeteiligungen anlegen können. Über ein Bürgerportal im Internet soll jeder ein persönliches Vorsorgekonto einsehen können, in dem übersichtlich zusammengefasst wäre, wie viel Rente aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge insgesamt zu erwarten ist – und wo gegebenenfalls noch Lücken zu füllen sind. Für Selbstständige will die FDP eine Basisabsicherung mit Wahlfreiheit einführen.

Die AfD will die Rente angesichts der Herausforderungen durch den demografischen Wandel zumindest kurz- und mittelfristig stärker durch Steuermittel finanzieren, genaue Angaben macht sie im Wahlprogramm dazu nicht. Die geförderte Altersvorsorge durch Betriebs- und Riester-Renten soll gestärkt werden, etwa durch Steuerfreistellung der Ansparbeiträge. Rentner sollen ohne Einbußen einer bezahlten Beschäftigung nachgehen können. Für Abgeordnete möchte die AfD das jetzige beitragsfreie Rentensystem abschaffen und stattdessen auf ein System privater Altersvorsorge umstellen. Wer gearbeitet oder Kinder erzogen hat, aber dennoch nur eine Rente bekommen würde, die nicht über die Grundsicherung hinausgeht, soll einen „angemessenen Aufschlag“ bekommen. Zur Finanzierung ihrer Pläne schlägt die AfD vor, das für Flüchtlinge ausgegebene Geld in „die Stabilisierung der Alterssicherung der deutschen Bevölkerung“ umzulenken.