Hamburg .

Wie blickt der Hamburger in die Zukunft? Die größte Sorge im Norden ist laut dem aktuellen Ängste-Ranking der R+V-Versicherung die Furcht vor Terrorismus (60 Prozent), gefolgt von der Angst, dass es in der Gesellschaft durch weitere Zuwanderung zu Spannungen kommt. Den dritten Platz belegt die Sorge, im Alter zu einem Pflegefall zu werden, gemeinsam mit der Besorgnis über steigende Lebenshaltungskosten. Insgesamt sind die Bürger aber mit Blick auf die Zukunft positiv und gelassen.

Die Überforderung von Politikern beschäftigt die Norddeutschen ebenfalls, gefolgt von der Angst vor einer schweren Erkrankung. Die Studie wurde zum 26. Mal erhoben. Sie wertet traditionell die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam aus. Die Forscher sehen den Norden an drittletzter Stelle im Bundesländer-Angstranking, deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Angstfreier sind nur noch die Menschen in Baden-Württemberg und Berlin.

Interessanterweise ist die Furcht vor politischem Extremismus von rechts und links in Hamburg und Schleswig-Holstein weniger stark als im Bundesdurchschnitt – obwohl die Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel genau in den Befragungszeitraum fielen.

Betrachtet man Deutschland insgesamt, so prägen sich den Menschen die Bilder der islamistischen Anschläge in Berlin, Barcelona, London, Brüssel, Manchester, Nizza und Paris am nachhaltigsten ein. Denn die Angst vor einem Terroranschlag ist mit deutlichem Abstand die größte Angst der Deutschen im Jahr 2017. Ganze 71 Prozent der Bevölkerung fürchten sich davor. Das ist einer der höchsten Werte der jemals gemessen wurde. Auf Platz zwei steht bundesweit die Sorge vor politischem Extremismus von rechts und links, gefolgt von der Befürchtung, dass der Zuzug von Ausländern zu Spannungen führt. Dieselben drei Ängste waren auch im Jahr 2016 auf den ersten Plätzen.

Sorgen vor wirtschaftlichem Abstieg geringer geworden

Gefragt wurden in diesem Jahr rund 2400 Menschen ab 14 Jahren nach ihren größten Sorgen rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt, Familie und Gesundheit. Die persönlichen Interviews fanden in der Zeit zwischen dem 23. Juni und dem 28. Juli statt. Die meisten Ängste sind gegenüber dem Vorjahr zwar prozentual zurückgegangen. Allerdings zeigt der Blick in den Langzeitvergleich, dass in diesem Jahr fast die Hälfte der 20 abgefragten Sorgen die 50-Prozent-Marke überspringt; das ist deutlich mehr als in vielen Studien zuvor.

„Die Menschen in Deutschland haben erkennbar weniger wirtschaftliche Sorgen“, erklärt Manfred G. Schmidt, Professor an der Uni Heidelberg, der die Studie seit Jahren begleitet. Dafür erreichten das Unbehagen über Terror, Extremismus, die Auswirkungen der Zuwanderung und Schadstoffe in Nahrungsmitteln die zweithöchsten Werte seit Beginn der Umfrage.

Bemerkenswert findet der Wissenschaftler, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen zwar nur in etwa so hoch ist wie einen Sechser im Lotto zu gewinnen – also extrem unwahrscheinlich. „Doch die Menschen in Deutschland achten nicht nur auf ihre persönliche Betroffenheit, sondern es geht um die Angst, dass durch den Terror der Staat und die Gesellschaft ins Wanken geraten.“

Und einen weiteren klugen politischen Blick attestiert der Wissenschaftler der deutschen Bevölkerung. „Die Menschen haben einen durchaus realistischen Blickwinkel zum Beispiel auf die Eurokrise. Viele Politiker denken oft, das sei schon alles unter Dach und Fach.“ Doch die Angst vor der Rückkehr der EU-Schuldenkrise, die dem Steuerzahler vieles abverlangt, belegt Platz vier der Ängste mit 58 Prozent.

Auch die Lebensmittelskandale rund um Gammelfleisch, Dioxin-Eier, oder EHEC-Bakterien bewegen die Bundesbürger. Die Sorge um Schadstoffe in Nahrungsmitteln findet sich auf Platz fünf. Die jüngste Aufregung um die Fipronil-belasteten Eier kam sogar erst nach der Befragung dazu.

Auf Platz sechs folgt die Befürchtung, dass die Bevölkerung und die Behörden durch mehr Asylbewerber überfordert sein könnten, auf Platz sieben steht die Furcht vor Naturkatastrophen durch Überflutungen oder Stürme. Der Klimawandel und seine Folgen sind bei den Menschen angekommen.

Die Überforderung von Politikern im allgemeinen belegt Platz acht. „Die Angst vor einem Kontrollverlust des Staates ist weiterhin groß und manifestiert sich auch in der Beurteilung der Politiker“, erläutert Schmidt. Wie auch 2016 zweifelt die Mehrheit der Deutschen daran, dass die Volksvertreter ihren Aufgaben gewachsen sind – allerdings mit einem Rückgang von zehn Prozentpunkten. Bemerkenswert: Zum zweiten Mal in Folge sinkt diese Angst in den Wochen vor einer Bundestagswahl. Das war in früheren Wahlkampfzeiten nach den Erkenntnissen der Forschern anders.

Leicht verbessert haben sich 2017 auch die Schulnoten, mit denen die Befragten die Arbeit der Politiker bewerten konnten – von durchschnittlich 4,2 auf 3,9. „Dennoch ist das Urteil für die politische Klasse wenig schmeichelhaft“, konstatiert der Politologe. „Und: Nur knapp neun Prozent der Deutschen stellen den Politikern ein positives Zeugnis aus und bewerten ihre Arbeit mit ‚sehr gut‘ oder ‚gut‘. Fast jeder dritte Befragte (30 Prozent) straft sie hingegen mit ‚mangelhaft‘ oder ‚ungenügend‘ ab.“

Kaum noch Unterschiede zwischen Ost und West

Die Angst vor Arbeitslosigkeit, lange Zeit auf den vorderen Plätzen der Umfrage, kommt im Jahr 2017 erst auf dem 18. Platz, noch vor der Angst vor einer insgesamt höheren Arbeitslosigkeit in Deutschland. Das Zerbrechen der Partnerschaft ist die letzte Befürchtung der Deutschen in der Studie – es ist der 20. Platz.

Was gibt es noch für Merkmale der Untersuchung? Frauen sind generell ängstlicher als Männer. Daran hat sich seit Beginn der Erhebung nichts geändert. So lösen beispielsweise Bedrohungen durch Terroristen bei Frauen größere Ängste aus (Frauen: 75 Prozent, Männer: 66 Prozent). Auch vor Krankheit (Frauen: 53 Prozent, Männer: 41 Prozent) und Pflegebedürftigkeit (Frauen: 57 Prozent, Männer: 48 Prozent) fürchten sich die Frauen deutlich mehr. Die ängstlichste Altersgruppe insgesamt sind die 40- bis 49-Jährigen.

Die Intensität der Angst ist in Ost- und Westdeutschland weitgehend identisch. Nur einen großen Unterschied gibt es in diesem Jahr: 59 Prozent der Ostdeutschen befürchten, dass die Lebenshaltungskosten steigen, im Westen sind es 48 Prozent. Und obwohl die Verbraucherpreise leicht anziehen, belegt die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten – viele Jahre lang unangefochten auf Platz eins – jetzt mit 50 Prozent nur noch Rang zehn im bundesweiten Ranking.

Gefragt haben die Forscher auch nach US-Präsident Donald Trump und den Auswirkungen seiner Politik. Ergebnis: Die Deutschen sind hier entspannt. Nur rund ein Drittel (34 Prozent) hat Sorge, dass Deutschland mit den USA einen wichtigen Bündnispartner verlieren könnte.

Bleibt der Blick auf das ängstlichste Bundesland, Sachsen-Anhalt. Auffällig ist, dass sich die Menschen dort bei fast allen abgefragten Ängsten größere Sorgen machen als der Bundesdurchschnitt. Auch in Thüringen und Bayern macht man sich deutlich mehr Sorgen als in Hamburg.