Gütersloh. Studie: 60 Prozent sehen Entwicklung in richtige Richtung. Im Europavergleich gibt es unter den Bundesbürgern den geringsten Anteil mit rechter Gesinnung

Die Deutschen blicken einer Umfrage zufolge deutlich optimistischer in die Zukunft als andere Europäer. Eine große Mehrheit der Bundesbürger sei zufrieden mit dem Zustand ihres Landes und der Demokratie, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Vorstellung einer europaweiten Studie. Demnach sind fast 60 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass sich das Land in die richtige Richtung entwickle – das sind fast doppelt so viele wie bei der letzten Befragung im Frühjahr. 63 Prozent äußerten sich zufrieden mit der deutschen Demokratie.

Mit diesen Werten seien die Bundesbürger im EU-Vergleich Spitzenreiter in puncto Optimismus, hieß es. Am unzufriedensten mit der Entwicklung im eigenen Land seien die Italiener mit nur 13 Prozent. In Frankreich, wo mit Emmanuel Macron ein neuer Staatspräsident angetreten ist, gebe es zwar weiter eine Mehrheit für die Pessimisten. Doch habe sich der Anteil der positiv gestimmten Befragten seit dem Frühjahr auf 36 Prozent verdreifacht.

Deutlich pessimistischer sind die Deutschen hinsichtlich der Entwicklung der EU: Fast drei von vier (72 Prozent) sind der Ansicht, dass die EU sich nicht in die richtige Richtung entwickelt. Hier gibt es kaum Veränderungen: Bei der gleichen Umfrage im Juli 2015 sagten das 74 Prozent. EU-weit teilen derzeit zwei von drei Befragten (66 Prozent) diese Auffassung. Nur in Italien wird die EU noch kritischer gesehen als in Deutschland. Dort beurteilen 83 Prozent der Befragten ihre Entwicklung negativ.

Laut der Umfrage ist die politische Mitte in Deutschland so stark wie in keinem der anderen großen EU-Staaten Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien. Demnach verorten sich 80 Prozent der Deutschen in der politischen Mitte. Die Mehrheit davon (44 Prozent) stufe sich selbst als Mitte-links ein. Demgegenüber seien in Frankreich die politischen Ränder im EU-Vergleich am stärksten ausgeprägt: Jeweils ein Viertel der Franzosen steht laut eigener Einschätzung links oder rechts von der Mitte.

Wer unzufrieden ist, orientiert sich der Studie zufolge in den EU-Staaten politisch nach rechts. In Deutschland seien dies sieben Prozent der Befragten. Sie seien zu fast zwei Dritteln unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland wie auch in der Europäischen Union. Nur die Hälfte von ihnen würde bei einem Referendum für den Verbleib Deutschlands in der EU stimmen. Allerdings sei die Gruppe derjenigen, die sich selbst als rechts bezeichnen, in Deutschland mit sieben Prozent immer noch sehr klein – in Frankreich seien es 25 Prozent.

Auch wirtschaftlich haben die Bundesbürger nach Einschätzung der Demoskopen offenbar wenig zu beklagen. Für drei Viertel der Befragten hat sich ihre ökonomische Lage entweder verbessert oder ist gleich geblieben. In Italien als Schlusslicht in dieser Kategorie gab mehr als jeder Zweite (54 Prozent) an, dass sich seine Situation verschlechtert habe.

Ereignisse wie der Brexit, der Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump oder dramatische Wahlkämpfe in Nachbarländern hätten offenbar viele Deutsche „tief beeindruckt und davon überzeugt, dass es Deutschland verhältnismäßig gut geht“, sagte die Projektleiterin von „eupinions“, Isabell Hoffmann. Noch profitiere die Bundesrepublik von ihrer breiten politischen Mitte und guten Wirtschaftszahlen. Entscheidend werde sein, ob es der AfD nach dem wahrscheinlichen Einzug in den Bundestag gelinge, die politische Debatte entlang von Reizthemen wie Asyl und Mi­gration „tief greifend zu polarisieren“, sagte Hoffmann.

Die Bertelsmann Stiftung hatte im Juli in allen 28 EU-Ländern 10.755 Bürger befragt. In ihren regelmäßigen „eupinions“-Studien ermittelt die Stiftung die Einstellung der Bevölkerung zur Fortentwicklung der Europäischen Union und einzelnen Politikfeldern.