Madrid. Volksabstimmung am 1. Oktober soll Abtrennung besiegeln. Madrid droht mit Verbot und schließt Einsatz der Streitkräfte nicht aus

Der Countdown für die Abtrennung der Region Katalonien vom spanischen Königreich hat begonnen. Die Terroranschläge Mitte August in den katalanischen Städten Barcelona und Cambrils hatten die einseitige Fahrt Richtung Unabhängigkeit nur kurz unterbrechen können. Bei den großen Anti-Terror-Demonstrationen nach den Attentaten wurden der spanische König Felipe und Ministerpräsident Mariano Rajoy von Anhängern der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung sogar ausgebuht. Die Abspaltungskampagne in der rebellischen Region, in der die Bürger am 1. Oktober in einem einseitigen Referendum über den Abschied von Spanien abstimmen sollen, läuft nun auf Hochtouren.

Katalonien mit der Küstenmetropole Barcelona und der Costa Brava ist einer der wirtschaftsstärksten Teile Spaniens und eine Tourismushochburg. Die hoch industrialisierte Region, eine von 17 autonomen Gebieten in Spanien, steuert 20 Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Mehr als ein Viertel aller internationalen Spanien-Touristen verbringen hier ihre Ferien. Viele der etwa 7,5 Millionen Katalanen, die ihre eigene Kultur und Sprache pflegen, begreifen sich als eigene Nation und fühlen sich vom spanischen Zentralstaat an den Rand gedrückt.

Gerade holte Kataloniens Regierung, die von dem 54-jährigen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont geführt wird, zum nächsten Schlag aus: Puigdemont brachte ein Gesetz auf den Weg, das im Falle eines Sieges am 1. Oktober die schnelle Abtrennung vom Königreich und das Ende der spanischen Hoheit auf katalanischem Territorium besiegeln soll. In dem Gesetz ist dann auch gleich festgeschrieben, dass mit der noch für Oktober vorgesehenen Ausrufung einer Republik in Katalonien nicht mehr König Felipe als oberster Repräsentant firmiert, sondern Puigdemont katalanischer Staatschef wird.

Katalonien strebt komplette Steuerhoheit an

Doch das ist nur der Anfang der geplanten katalanischen Rebellion gegen Spanien: Die spanische Verfassung und Gesetzgebung will man per Federstrich eliminieren und durch ein katalanisches Regelwerk ersetzen. Die Steuerhoheit würde komplett übernommen, um den katalanischen Haushalt zu finanzieren. Und Spaniens Armee und andere spanische Sicherheitskräfte müssten Katalonien verlassen, wo nur die katalanische Polizei, die Mossos d’Esquadra, für Ordnung sorgen soll.

Soweit die Vision der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, die den Eindruck erweckt, dass sie sich von niemandem bei ihrem einseitigen Abschied von Spanien aufhalten lassen wird. Doch so einfach dürfte es nicht werden. Spaniens konservative Regierung ist entschlossen, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ das unilaterale und in der Verfassung nicht vorgesehene Unabhängigkeitsvotum zu unterbinden. Der spanische Regierungschef Rajoy verspricht: „Es wird in Katalonien kein Referendum über die Unabhängigkeit stattfinden.“

Über die Einzelheiten seiner Strategie, mit der er die Einheit der Nation verteidigen will, schweigt Rajoy. Es ist aber kein Geheimnis, dass Spaniens Verfassungsgericht nur darauf wartet, dass Kataloniens Abspaltungsgesetz formell in Kraft tritt, um es dann umgehend zu annullieren. Da Kataloniens Regierung für diesen Fall Ungehorsam ankündigte, dürften zugleich Zwangsmaßnahmen gegen die Separatisten Puigdemont & Co angekündigt werden: Ihnen drohen Amtsenthebung und Anklagen wegen Rechtsbeugung.

Spaniens Armee rasselt derweil mit dem Säbel. Rajoys stramme Verteidigungsministerin María Dolores de Cos­pedal ließ durchblicken, dass die Streitkräfte zur Stelle seien werden, „um die Verfassung, aber auch die territoriale Integrität und Souveränität Spaniens zu beschützen“.

Das Eingreifen der Armee wäre vermutlich das allerletzte Mittel, um den Bruch Spaniens zu verhindern. Als wahrscheinlicher gilt zunächst, dass Rajoy, der sich in seiner Verteidigung des spanischen Territoriums auf die sozialistische Opposition stützen kann, zunächst die paramilitärische Polizeieinheit Guardia Civil einsetzen wird. Etwa um einzuschreiten, wenn trotz eines Referendumsverbotes Wahlurnen aufgestellt werden.

Doch auch dieses Szenario hat Chefseparatist Puigdemont eingeplant. Spanische Polizisten, die in Katalonien eine in seinen Augen „demokratische Abstimmung“ unterbinden: Das dürfte bei vielen Katalanen bittere Erinnerungen wecken an die Zeit der Franco-Rechtsdiktatur (1939-1975), als die Guardia Civil die Region mit Gewalt drangsalierte. Genau darauf setzt Puigdemont, der alles tut, um die antispanische Stimmung in Katalonien anzuheizen. In der jüngsten Umfrage der größten katalanischen Zeitung La Vanguardia waren 42,5 Prozent der Katalanen für die einseitige Abspaltung. 37,6 Prozent waren dagegen. Die übrigen Befragten sagten, nicht am Referendum teilnehmen zu wollen oder waren unentschieden.